Im Untreue-Prozess gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen Charterflügen und einer Festschrift auf Firmenkosten hat die Verteidigung am Donnerstag einen kompletten Freispruch gefordert. "Von der Anklageschrift ist aus Sicht der Verteidigung nichts übrig geblieben", sagte der Anwalt des früheren Spitzenmanagers, Winfried Holtermüller, am Donnerstag vor dem Essener Landgericht. Die Vorwürfe gegen Middelhoff seien maßlos und polemisch, sagte sein zweiter Anwalt Udo Wackernagel. Mit einem Urteil wird Mitte November gerechnet.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Manager vor, den inzwischen insolventen Handelskonzern mit betriebsfremden Kosten belastet zu haben. Grund für die "nach Gutdünken" abgerechneten Flüge seien oft ganz oder teilweise private Termine gewesen - etwa Reisen zu Middelhoffs zahlreichen externen Unternehmensmandaten oder zu seinem Feriendomizil in St. Tropez. Zudem sei er mehrfach mit dem Hubschrauber von seinem Wohnsitz Bielefeld zum Konzernsitz nach Essen geflogen, um nicht mit dem Dienstwagen im Stau zu stehen.
Den Gesamtschaden bezifferte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift zunächst auf 1,1 Millionen Euro, später nach Einstellung einiger Einzelfälle auf gut 800 000 Euro. Deshalb hatten die Ankläger in der vergangenen Woche eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten für den 61-Jährigen gefordert. Damit müsste Middelhoff ins Gefängnis - eine Strafe in dieser Höhe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
Middelhoff hat die Vorwürfe von Anfang an entschieden zurückgewiesen. Die Privatflüge seien für Middelhoff "zwingend und unabdingbar" gewesen, sagte Holtermüller in seinem Plädoyer. Der Arcandor-Konzern habe in einer existenzbedrohenden Dauerkrise gesteckt, die außerordentlichen Einsatz verlangt habe. "Middelhoff konnte gar nicht anders, als rund um die Uhr zu arbeiten und verfügbar zu sein." Dabei habe er schon aus Gründen des Aktienrechtes keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen dürfen, weil sonst Fremde möglicherweise Einblick in vertrauliche Dokumente bekommen hätten.
Auch in anderen Großkonzernen stellten sich Vorstände nicht am Flugschalter an, sagte Holtermüller. Die Hubschrauberflüge von Bielefeld nach Essen seien ebenfalls gerechtfertigt, da monatelange Bauarbeiten auf der Autobahn für akute Staugefahr gesorgt hätten. "Ein Konzern in der Finanzkrise kann sich keinen Vorstandschef leisten, der mehrere Tage stundenlang im Stau steht." Middelhoff sei sogar verpflichtet gewesen, sich verlässlicher Transportmittel zu bedienen und hätte andernfalls möglicherweise Schadenersatz zahlen müssen.
Außerdem habe nach einer Bombendrohung von 2004 aus Sicht von Middelhoff mindestens abstrakte Gefahr bestanden und der Manager habe auf eine Zusicherung der Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz vertraut, Spesen und auch Flugkosten komplett zu übernehmen. Er habe also gar keinen Anlass gehabt, irgendwelche Flugkosten umzudeklarieren. Die Quelle-Erbin hatte allerdings im Prozess in ihrer Zeugenaussage abgestritten, die Bezahlung auch privat veranlasster Flüge im Charterjet zugesagt zu haben. Solche "Erinnerungslücken" von Frau Schickedanz änderten nichts an den Zusagen, die schriftlich in zwei Dokumenten festgehalten seien, sagte Holtermüller. Middelhoff habe es so verstehen müssen, dass mit der Zusage auch die Privatflüge gemeint waren./rs/DP/stb
AXC0267 2014-11-06/15:47