
Von Andreas Plecko
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsschätzungen für die globale Wirtschaft erneut gekappt und vor erhöhten Risiken gewarnt. Sorgen bereiten den Experten in Washington besonders die geopolitischen Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die holprige Wirtschaftserholung in vielen Teilen der Erde nach der Großen Finanzkrise. "Die Abwärtsrisiken sind seit dem Frühjahr gestiegen", heißt es im Vorfeld der Jahrestagung von IWF und Weltbank im neuen Ausblick zur Weltwirtschaft (World Economic Outlook).
Bereits im Frühjahr hatte der Fonds seinen Ausblick für das weltweite Wachstum reduziert. Aktuell geht der IWF für 2014 von einem Wachstum von 3,3 Prozent aus, das sind 0,1 Prozentpunkt weniger als beim Ausblick im Juli. Gegenüber dem April liegt die Prognose sogar um 0,4 Punkte niedriger. Für 2015 wird die Wachstumsprognose um 0,2 Punkte auf 3,8 Prozent gekappt.
"Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten eines Balanceakts", sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. "Auf der einen Seite müssen die Länder mit den Hinterlassenschaften der globalen Finanzkrise fertig werden. Auf der anderen Seite sind sie mit einer schwächeren Konjunkturdynamik konfrontiert." Die Interaktion dieser zwei Kräfte habe zu einer Reihe von Ausblicksenkungen in den vergangenen drei Jahren geführt.
Für die Eurozone sind die IWF-Experten deutlich weniger zuversichtlich als noch im Juli. Der Währungsblock wird der korrigierten Prognose zufolge 2014 um lediglich 0,8 Prozent und 2015 um 1,3 Prozent wachsen - für 2014 ist das eine Rücknahme um 0,3 Punkte und für 2015 um 0,2 Punkte.
Dabei senkte der IWF seine Erwartungen für die drei größten Volkswirtschaften der Eurozone - Deutschland, Frankreich, Italien - jeweils merklich. Deutschland wird für 2014 nur noch ein Wachstum von 1,4 und nicht mehr 1,9 Prozent und für 2015 von 1,5 statt 1,7 Prozent in Aussicht gestellt. Für Frankreich erwartet der IWF in diesem Jahr nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,4 Prozent (minus 0,4 Punkte) und für 2015 von 1,0 Prozent (minus 0,5 Punkte).
Für Italien wird sogar eine Rezession vorhergesagt. Im laufenden Jahr soll die Wirtschaft um 0,2 Prozent schrumpfen, bislang war noch ein leichter Zuwachs von 0,3 Prozent erwartet worden. 2015 soll dann ein verhaltenes Wachstum von 0,8 statt 1,1 Prozent folgen.
Die Aussichten für die USA beurteilen die IWF-Experten deutlich positiver. Für 2014 wird die Wachstumsprognose auf 2,2 Prozent (plus 0,5 Punkte) angehoben, für 2015 bleibt die Vorhersage von 3,1 Prozent unverändert. Japan muss dagegen Abstriche hinnehmen, für 2014 sinkt die Prognose auf 0,9 von 1,6 Prozent und für 2015 auf 0,8 von 1,0 Prozent.
Für die globale Wachstumslokomotive China bleiben die Prognosen unverändert. Nach wie vor rechnet der IWF mit Wachstumsraten von 7,4 Prozent in diesem Jahr und 7,1 Prozent im nächsten Jahr.
Der IWF-Chefökonom forderte die Regierungen in den Industrieländern auf, sowohl die Folgen aus der Finanzkrise anzupacken als auch das niedrige Potenzialwachstum. Auch die Zentralbanken sieht der Franzose in der Pflicht: "Um das Potenzialwachstum zu erhöhen, solange die Nachfrage niedrig bleibt, sind geldpolitische Hilfen und niedrige Zinsen von essentieller Bedeutung", erklärte Olivier Blanchard.
Erhöhte Gefahren für die Weltwirtschaft sieht der IWF in den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten. Bislang hätten sich die Krisen in diesen Ländern nicht über die unmittelbaren Nachbarn hinaus ausgebreitet. Auch die Ölpreise seien relativ stabil geblieben. "Aber das kann sich natürlich ändern, mit drastischen Konsequenzen für die Weltwirtschaft", warnte die Sonderorganisation der UNO.
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October 07, 2014 09:00 ET (13:00 GMT)
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