
Die schwarz-rote Koalition will sich nach den jüngsten Streitereien zusammenraufen und Deutschland gegen aufziehende Konjunkturrisiken wappnen. Bei ihrem ersten Treffen in großer Koalitionsrunde stellten die Spitzen von CDU, CSU und SPD Impulse für stärkere private Investitionen in den Mittelpunkt. Es seien Themen besprochen worden, "die die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sicherzustellen helfen", hieß es am Dienstagabend in einer Erklärung nach der dreieinhalbstündigen Sitzung. In Koalitionskreisen hieß es, es habe keine Beschlüsse gegeben, sondern nur Beratungen.
Es gehe um bessere Rahmenbedingungen für Investitionen, teilten die Koalitionäre in dem abgestimmten Papier mit. In jedem Bereich wie etwa dem Ausbau des schnellen Internets oder der Energiewende seien Schwerpunkte festgelegt worden, in denen vordringlicher Handlungsbedarf bestehe. "So wird gerade für private Investoren Planbarkeit und Sicherheit hergestellt, eine notwendige Voraussetzung für mehr private Investitionen in der Zukunft."
Die Koalitionsspitzen sprachen sich gemeinsam gegen ein Anzapfen des Euro-Rettungsschirms ESM zur Finanzierung eines Investitionsprogramms in Europa aus, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Führende EU-Vertreter hatten ins Spiel gebracht, die Wirtschaft mit Geld aus dem ESM anzukurbeln. Dabei sollte es vor allem um die 80 Milliarden Euro gehen, die die Euro-Länder als Barkapital eingezahlt haben. Dies hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon abgelehnt.
Zuletzt mehrten sich angesichts der Krisen im Nahen Osten und in der Ukraine Alarmzeichen für die deutsche Konjunktur. Die Industrie musste bei ihrer Produktion im August den stärksten Rückschlag seit der Wirtschaftskrise vor fünf Jahren verkraften. Forschungsinstitute schraubten ihre Wachstumsprognosen zurück. Auch Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel zweifelt offen an der Regierungsprognose von 1,8 Prozent Wachstum für das laufende Jahr.
Besprochen wurden auch die außenpolitischen Krisen. Besonders sei es um die Ukraine, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und Deutschlands Hilfe für die von Ebola betroffenen Länder gegangen, hieß es. Neben den Parteichefs - Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Gabriel - nahmen an dem Treffen die Fraktionsspitzen und die Generalsekretäre teil. Zeitweilig kamen mehrere Ressortchefs hinzu, darunter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Innenminister Thomas de Maizière, Schäuble (alle CDU) und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU).
Ein weiteres Thema ist der von Bayern befeuerte Streit um neue Stromtrassen. Nach einem vorläufigen Veto Seehofers gegen zwei geplante große Trassen in den Süden sollen Bedarf und genauer Verlauf möglicherweise noch einmal überprüft werden. An diesem Donnerstag soll es dazu ein Treffen von Seehofer, Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Gabriel geben.
Unmittelbar vor dem Koalitionstreffen hatte sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bemüht, das Klima nach Sticheleien der Sozialdemokraten gegen von der Leyen zu beruhigen. Die Ministerin "trägt nicht die Verantwortung für die derzeitigen Zustände" bei der Bundeswehr, sagte er. Merkel nahm dies nach Teilnehmerangaben schon in einer Sitzung der Unionsfraktion positiv auf.
Kurz vor dem Treffen einigten sich die Fraktionsspitzen von Union und SPD auf Regeln für Politiker-Wechsel in die Wirtschaft. Demnach soll eine Karenzzeit von 12 Monaten gelten, bei besonderen Fällen von bis zu 18 Monaten. Das Kabinett soll in jedem Einzelfall über eine Interessenkollision entscheiden und auf Ratschlag eines Expertengremiums die Dauer der Abklingphase vor dem Start der neuen Tätigkeit festlegen. Die Regierung soll einen Gesetzentwurf vorlegen./bk/sam/ir/DP/zb
AXC0011 2014-10-08/05:43