
Von Andreas Kißler
BERLIN--Nach den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten hat auch die Bundesregierung eine nur schleppende Entwicklung der deutschen Konjunktur prognostiziert. Sie wird wohl bei ihrer eigenen Prognose am kommenden Dienstag ebenfalls eine deutliche Abwärtsrevision vornehmen, rechnet jedoch mit einem Wiedererstarken der Konjunktur, falls sich die gegenwärtige Verunsicherung legt.
"Nach dem leichten Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung im zweiten Quartal deuten die Konjunkturindikatoren für Deutschland gegenwärtig auf eine zunächst sehr verhaltene Entwicklung hin", schreibt das Wirtschaftsministerium in seinem aktuellen Monatsbericht - einen Tag, nachdem die Ökonomen der Institute Deutschland ein Wachstum von nur noch 1,3 Prozent in diesem und 1,2 Prozent im kommenden Jahr vorausgesagt hatten.
Für die eigene Prognose der Bundesregierung, die im Wirtschaftsministerium erstellt wird, liefern die Institute in ihrem zwei Mal im Jahr erstellten Gutachten traditionell die Basis. Die jüngsten Aussagen im Monatsbericht nähren die Erwartung, dass auch die Bundesregierung von deutlich weniger Wachstum ausgehen wird. Derzeit prognostiziert sie für 2014 noch ein Wachstum von 1,8 Prozent; diese Vorhersage datiert aber aus dem Frühjahr.
"Die Stimmungsindikatoren haben sich auf breiter Front eingetrübt", erklärte das Wirtschaftsministerium. Die geopolitischen Konflikte hätten die Unternehmen zunehmend verunsichert. Hinzu komme die schleppende Erholung im Euroraum, was sich negativ auf die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen auswirke. "Auftragseingänge, Umsätze und Produktion im Verarbeitenden Gewerbe entwickeln sich im Schnitt der letzten Monate schwächer als erwartet", räumte das Ministerium ein.
"Gleichwohl sind viele Fundamentalfaktoren der deutschen Wirtschaft unverändert gut." Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, solide öffentliche Haushalte, ein robuster Arbeitsmarkt, stabile Preise und anregend niedrige Zinsen sprächen dafür, "dass sich die Auftriebskräfte wieder stärker durchsetzen, sobald die Verunsicherung nachlässt".
Der private Konsum bleibt nach Einschätzung der Regierung die zuverlässigste konjunkturelle Stütze. Hier ließen zudem die steigenden Einkommen weiterhin eine positive Entwicklung erwarten.
Die Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft bleiben allerdings "insgesamt erhöht", stellt das Ministerium fest. Daher seien die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weniger günstig als bisher angenommen. Im August sei die Tendenz jedoch durch negative Ferientageeffekte "dramatisch überzeichnet" worden.
Die führenden Wirtschaftsinstitute hatten am Vortag ein düsteres Bild der Konjunkturlage gezeichnet und von der Politik in Deutschland günstigere Rahmenbedingungen für Investitionen verlangt. Sie hatten finanziellen Spielraum für mehr Ausgaben in wachstumsförderlichen Bereichen gesehen und dazu auch den von der Regierung geplanten Budgetausgleich zur Disposition gestellt. Die Ökonomen gaben der Großen Koalition auch eine deutliche Mitschuld an der konjunkturellen Misere.
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October 10, 2014 05:06 ET (09:06 GMT)
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