Im Streit um die geplanten Stromtrassen setzt sich der Netzbetreiber Tennet heftig gegen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zur Wehr. Vorstand Lex Hartman hielt der Staatsregierung am Dienstag vor, die Netzplanung sei eigentlich beendet und per Gesetz beschlossen. Wenn jetzt die Pläne wieder geändert würden, gebe es im nächsten Jahrzehnt eine echte Gefahr von Stromengpässen in Bayern. "Kommt mal zu einer Entscheidung und steht auch dazu", sagte der niederländische Manager. "Bitte mehr Tempo."
Der Anlass von Hartmans Kritik: Die Netzplanung lief 2011 unmittelbar nach der Entscheidung für das Vorziehen des Atomausstiegs auf 2022 an und wurde vor mehr als einem Jahr beschlossen. Seehofer hatte erst anschließend die Trassen infrage gestellt, obwohl die CSU vorher in Berlin zugestimmt hatte. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) soll in Kürze einen Energiedialog starten, in dessen Verlauf auch geklärt werden soll, ob neue Trassen notwendig sind.
Daran will Aigner auch festhalten: "Ein Dialogprozess, der mit einem Ergebnis beginnt, ist eine Farce", erklärte ihr Ministerium am Dienstag. Bei einem solch sensiblen Thema gelte "das Primat der Politik", sagte Aigner. "Wir müssen uns die Zeit nehmen für einen ausführlichen Dialogprozess." Ganz wichtig sei der Staatsregierung "die Versorgungssicherheit für die Bürger und für die Wirtschaft".
Tennet steht allerdings nicht allein: In der bayerischen Wirtschaft wachsen Ärger und Unruhe seit Monaten. In den energieintensiven Unternehmen werden neue Investitionen schon jetzt vorrangig im Ausland geplant und nicht in Bayern, wie Vertreter der Wirtschaftsverbände mehrfach gesagt haben.
Technisch wäre eine Lösung ohne neue Trassen machbar, sagte
Hartman. Doch die Betriebssicherheit des Netzes werde leiden und die
Stromkosten stark steigen. "Das wird richtig teuer." Nach Hartmans
Einschätzung wäre das für die Wirtschaft im Freistaat gefährlich.
Aus BMW
Hartman verwies auf die Grundstruktur der Netzplanung: In Norddeutschland wird mehr Strom produziert wird als dort benötigt. Dieser Strom soll nach dem bisherigen Szenario der Bundesnetzagentur nach Süddeutschland transportiert werden, wo die großen Industriezentren beheimatet sind.
Das Argument des Netzfachmanns: Wenn in Bayern zusätzliche Kraftwerke gebaut würden, gäbe es insgesamt ein viel zu hohes Stromangebot - denn in Norddeutschland werde nach wie vor viel Windstrom produziert werden. "Den kann man dann an Polen und Holland verschenken." Von den Verbrauchern bezahlt werden müsse der überschüssige Strom aber auf jeden Fall. Die Verlegung großer Überlandleitungen unter die Erde wäre nach Hartmans Angaben vier- bis achtmal so teuer.
Tennet ist ein niederländisches Staatsunternehmen, das dem Finanzministerium in Den Haag untersteht. Die Firma soll gemeinsam mit TransnetBW die SuedLink-Trasse bauen, über die Windstrom aus Norddeutschland zum Standort des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld geleitet werden soll.
Der Streit um die Trassen wird an diesem Mittwoch im Landtag fortgesetzt. Die Freien Wähler machen ebenfalls gegen die Trassen Front und fordern in einem Dringlichkeitsantrag, auf die zwei geplanten 500-Kilovolt-Gleichstromtrassen nach Unterfranken und Schwaben zu verzichten./cho/DP/stw
ISIN DE0005190003 DE000ENAG999 DE0007037129 DE0005220008 DE000A0H52F5
AXC0211 2014-10-14/16:53