Weiter auf Stabilisierungskurs dürften Europas Börsen auch in der kommenden Woche gehen. Die großen Schockmomente an den Börsen dürften abgebaut sein, sämtliche Schlagworte von "Deflation" bis "Rezession" wurden hinreichend bemüht. Das Thema "Konjunkturängste" sollte damit an den Märkten eingepreist sein. Und entsprechend die Abverkäufe der großen Fondsportfolios beendet. Denn immerhin hat der DAX in gerade einmal vier Wochen rund 1.300 Punkte verloren, seitdem die ersten Zweifel an Europas und dann auch Deutschlands Wachstum aufgekommen waren.
Für den letzten Ausverkauf vor allem deutscher Aktien musste sogar noch der ZEW-Index bemüht werden. Wie erwartet war er deutlich schwächer als die Prognosen und wurde vor allem im Euro-Ausland negativ interpretiert. Da Anleger mit zunehmender Entfernung vom Aktienmarkt aber nicht mehr so genau auf Details achten, wurden wichtige Dinge übersehen: Nämlich dass er eine Umfrage unter Finanzmarktanalysten ist und nicht eine in der Realwirtschaft. Die Stimmung am Finanzmarkt war aber geprägt von einem Monat im Rückwärtsgang - entsprechend depressiv also die Zahlen. Eine echte Auskunft über den Stand der deutschen Konjunktur gab der Indikator indes nicht.
Damit wiederholten sich Unaufmerksamkeiten, wie sie schon bei der Interpretation der deutschen Auftragseingänge und Industrieproduktion vorgekommen waren. "Märkte können ihren eigenen Sinn von Humor entwickeln", kommentierte Holger Schmieding, Chef-Volkswirt von Berenberg, diese Interpretation. Ein ungewöhnliches Muster in der Lage der Sommerferien sei als Ausrede benutzt worden, um deutsche Aktien auf den Markt zu werfen und fast einen globalen Rückzug auszulösen. Schmieding sieht besonders die Betriebsferien in Teilen der Autoindustrie als Grund für die schwachen August-Daten. Die konjunkturelle Lage hinter den Daten sei dagegen wesentlich stabiler.
Wie übertrieben die Märkte auf deutsche Konjunkturdaten reagiert haben, wird sich ab kommender Woche zeigen. Dann stehen mit den Einkaufsmanager-Indizes für Deutschland und Europa am Donnerstag erste Indikatoren für Oktober an, die aus der "echten" Wirtschaft kommen. Hier gibt es keinen Grund zu übertriebenem Pessimismus, heißt es dazu von der Helaba. Aufgrund der aktuellen Verunsicherung dürfte der Wert im Industrie-Bereich leicht auf 49 Punkte fallen. Der Service-Bereich sollte aber nur auf rund 55 Punkte zurückgehen. Dies sei ein Niveau, "das mit weiterem deutlichem Wachstum vereinbar ist", so die Analysten.
Dazu passend sagte EZB-Vizepräsident Coeure am Freitag, das Wachstum in der Eurozone werde sowohl im dritten als auch vierten Quartal positiv ausfallen. Bei DAX und Europas Börsen löste er damit eine Eindeckungsrally aus, die die Aktienmärkte kräftig nach oben trieb.
Händler werteten die starke Marktreaktion selbst auf solch "politische" Aussagen als klares Zeichen, dass zu viel Negativ-Fantasie in die Konjunkturdaten hineininterpretiert worden war. "Das sah fast nach der Angst vor zu guten Konjunkturdaten aus", sagte ein Händler. Daher hätten Short-Seller, die auf fallende Kurse setzen, sicherheitshalber damit begonnen, ihre Positionen zu schließen. Dies sollte sich kommende Woche fortsetzen, falls tatsächlich weniger schlechte Daten veröffentlicht werden.
Auch die Daten aus China sind geeignet, Sorgen vor einer globalen Konjunkturabschwächung zu beseitigen. Auf das BIP am Dienstag und den HSBC- Einkaufsmanager-Index am Donnerstag wird der Markt genau achten. Der wichtigste Indikator für die Eurozone steht mit dem ifo-Index erst am Montag der darauf folgenden Woche an.
Falls die globale Konjunktur nicht enttäuscht, haben die Aktienmärkte auch die Statistik auf ihrer Seite. Kapitalmarkt-Stratege Carsten Roemheld von Fidelity hat dazu einen Blick auf die Entwicklung der US-Börsen nach Kurseinbrüchen geworfen. "Betrachtet man die historische Entwicklung, hat der S&P-500 seit 1950 in 24 Fällen in einem Drei-Monats-Zeitraum mehr als 13 Prozent eingebüßt. In 15 dieser 24 Fälle hat er in den folgenden zwölf Monaten danach um mehr als 20 Prozent zugelegt", stellt Roemheld fest.
Echte Gefahren jenseits von Konjunkturfragen gibt es aber auch: Die "Rückkehr der Finanzkrise". Erneute Finanzprobleme in Griechenland brachten im Wochenverlauf die Kurse von Staatsanleihen und Aktien Südeuropas unter Druck. Die 10-jährigen Anleihen Griechenlands waren auf über 9 Prozent Rendite gesprungen. Erst die Zufuhr von 12 Milliarden Euro frischer Liquidität durch die EZB beruhigte etwas. Italiens Ministerpräsident heizte die Sorgen noch an, indem er vor einer "dramatischen Rückkehr" der Finanzkrise warnte, falls die EU nicht zusammenstehe.
"Mit Ebola und globaler Konjunkturabschwächung gab es bereits genügend belastende Themen", sagte ein Händler dazu: "Niemand will da wieder etwas von Griechenland, Italien und einer Rückkehr der europäischen Finanzkrise hören". Dies sei ein "extrem belastender, weil additiver Faktor", der in der Risikowahrnehmung der Marktteilnehmer nicht mehr vorgekommen worden war. Sollte der Markt nun erneut ein übergeordnetes Systemrisiko in Europa sehen, würde selbst eine besser als erwartete Konjunktur nicht vor Kursverlusten schützen.
Für willkommene Ablenkung von solchen Themen dürfte die Berichtssaison sorgen. Sie startet kommende Woche auch in Europa voll durch. In Deutschland kommen unter anderem SAP, Daimler und BASF mit Zahlen. In Europa stehen Unilever, Credit Suisse und Peugeot-Citroen im Blick.
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October 17, 2014 07:55 ET (11:55 GMT)
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