
Von Christian Grimm
BERLIN--Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wertet ihren Gesetzentwurf zur Tarifeinheit nicht als Angriff auf die Spartengewerkschaften von Lokführern, Ärzten oder Piloten. "Wir stellen die Existenz kleiner Gewerkschaften nicht in Frage", sagte Nahles am Morgen in Berlin. Das Streikrecht sei in Deutschland ein Grundrecht. Die zunehmend härter geführten Tarifkonflikte durch mächtige Berufsgruppen - wie aktuell bei der Deutschen Bahn - will die Ministerin mit einer Mehrheitsregel entschärfen.
Die soll aber nur zur Anwendung kommen, wenn sich konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb partout nicht einigen können, wer die Interessen der Arbeitnehmer vertritt. Dann wären "nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die (...) im Betrieb die meisten Mitglieder hat", heißt es im Gesetzentwurf, aus dem die FAZ am Morgen zitiert.
Nach wie vor sollen nach den Worten von Nahles die Gerichte entscheiden, ob ein Streik rechtmäßig ist. Zieht sich der Konflikt in die Länge, könnten die Richter aber zu dem Schluss kommen, dass ein Arbeitskampf der kleineren Gewerkschaft unrechtmäßig ist. Wer die Mehrheit der Arbeitnehmer vertritt, solle im Zweifel von Notaren festgestellt werden.
Auf die geplante Neuregelung hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt. Sie betrifft Tarifauseinandersetzungen wie derzeit bei der Deutschen Bahn, wo die Lokführergewerkschaft GDL einen eigenen Tarifvertrag auch für Zugbegleiter durchsetzen will, der vom Tarifvertrag der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG abweichen würde.
Auf Arbeitskämpfe bei der Deutschen Lufthansa dürfte das Gesetz dagegen keinen direkten Einfluss haben. Denn dort machen sich etwa die Pilotenvereinigung Cockpit und die Gewerkschaft Verdi ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche bisher nicht streitig.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kritisierte die geplante Regelung trotz Nahles' Zusicherungen scharf. "Die Arbeitgeberlobby und die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben offensichtlich ganze Arbeit geleistet, um nunmehr mit Hilfe des Gesetzgebers gut organisierte und selbstbewusst auftretende Berufsgewerkschaften an den Rand drängen zu können", sagte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke.
Nahles kündigte an, dass der Gesetzentwurf am 3. Dezember im Kabinett beschlossen werden soll. Die Beratungen im Bundestag sollen dann bis zum Sommer abgeschlossen sein. Einige Gewerkschaften haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen.
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October 28, 2014 04:57 ET (08:57 GMT)
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