
Von Andreas Plecko
Die Wirtschaft in der Eurozone wird nach der Erwartung der EU-Kommission nur eine langsame Erholung erleben. In ihrer Herbstprognose senkte die Brüsseler Behörde ihre Prognose für das Wachstum in diesem Jahr auf 0,8 Prozent, während im Frühjahr noch von einem Plus von 1,2 Prozent die Rede gewesen war. Damals hegte die Kommission noch die Hoffnung auf einen moderaten Aufschwung, aber in den vergangenen Wochen hat Ernüchterung über das schwache Wachstum in fast allen Staaten der Eurozone eingesetzt.
Auch für das Jahr 2015 wurde die Wachstumsprognose spürbar gesenkt, nämlich auf 1,1 von 1,7 Prozent. Erst für das Jahr 2016 hofft die EU-Kommission wieder auf die Rückkehr zu einem moderaten Wachstum von 1,7 Prozent. "Die Wirtschafts- und Beschäftigungslage erholt sich nicht schnell genug", sagte EU-Vizepräsident Jyrki Katainen, der die Oberaufsicht für Wachstum, Investitionen, Wettbewerb und Arbeitsplätze hat.
Die neue EU-Kommission unter dem Vorsitz von Jean-Claude Juncker werde alles tun, um für mehr Wachstum und Jobs in Europa zu sorgen, fügte Katainen hinzu. Dazu werde ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionspaket geschnürt. "Stärkere Investitionen sind der Dreh- und Angelpunkt für die wirtschaftliche Erholung", sagte Katainen.
Bei der Beschleunigung des Wachstums im Jahr 2016 setzt die EU-Kommission insbesondere auf die Stärkung des Finanzsektors nach dem erfolgreichen Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) und weitere Strukturreformen in den 18 Staaten der Eurozone.
"Es gibt keine einzelne, einfache Antwort auf die Probleme der europäischen Wirtschaft", sagte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. "Wir müssen an drei Fronten agieren: Glaubwürdige Fiskalpolitik, ambitionierte Strukturreformen und dringend benötigte Investitionen, staatlich wie privat."
Neben der Wirtschaft erholt sich den Prognosen zufolge auch der Arbeitsmarkt nur langsam. Die Arbeitslosenquote dürfte von 11,9 Prozent im Jahr 2013 in diesem Jahr lediglich auf 11,6 Prozent sinken. Für 2015 wird nur ein Rückgang auf 11,3 Prozent und für 2016 auf 10,8 Prozent prognostiziert.
Über den ganzen Prognosehorizont erwartet die Kommission eine Inflation deutlich unter dem Zielwert der EZB. Für dieses Jahr liegt die Prognose bei lediglich 0,5 Prozent, für 2015 bei 0,8 Prozent und für 2016 bei 1,5 Prozent.
Auch in die traditionelle Wachstumslokomotive Deutschland setzt die EU-Kommission keine großen Hoffnungen. Für dieses Jahr kappte sie die Wachstumsprognose auf 0,8 von 1,8 Prozent. Für 2015 wurde die Prognose fast halbiert - auf 1,1 von 2,0 Prozent. Erst für 2016 setzt die Kommission wieder ein spürbar höheres Wachstum von 1,8 Prozent an.
Sehr dürftig sind die Prognosen für Frankreich: Für dieses Jahr wurde die Wachstumsprognose auf 0,3 von 1,0 Prozent im Frühjahr eingedampft. Für 2015 wird die Prognose auf 0,7 von 1,5 Prozent halbiert. Erst 2016 darf Frankreich demnach wieder auf ein stärkeres Wachstum von 1,5 Prozent hoffen.
Noch schlechter präsentiert sich das Bild für Italien: In diesem Jahr rechnet die EU-Kommission nun mit einer Rezession, die Prognose deutet auf eine Wirtschaftsschrumpfung um 0,4 Prozent, während im Frühjahr noch die Hoffnung auf ein kleines Plus von 0,6 Prozent bestand. Für 2015 wurde die Prognose auf 0,6 von 1,2 Prozent gekappt.
Außerdem ist sich die EU-Kommission nicht sicher, ob die Lage nicht noch schlechter wird: Wegen der geopolitischen Krisen, der Fragilität der Finanzmärkte und dem möglichen Ausbleiben von Strukturreformen gebe es Abwärtsrisiken für diesen Ausblick, erklärte die Behörde.
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November 04, 2014 05:09 ET (10:09 GMT)
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