
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Dienstag offiziell ihre Arbeit als zentraler Bankenaufseher im Euroraum aufgenommen. Damit überwacht die Notenbank ab sofort die 120 größten Institute im Währungsgebiet direkt, darunter 21 Banken in Deutschland.
"Das ist der größte Schritt in der wirtschaftlichen Integration Europas seit Einführung des Euro", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré laut Redetext in Nikosia. "Wir sind bereit zu diesem Schritt, aber wir sind uns auch sehr bewusst, welche wichtige zusätzliche Verantwortung wir übernehmen."
Die Chefin der neuen EZB-Bankenaufsicht, Danièle Nouy, ließ in Frankfurt erklären: "Wir haben nun die einzigartige Gelegenheit, eine Aufsichtskultur zu entwickeln, die wirklich europäisch ist."
Ziel ist, die wichtigsten grenzüberschreitend tätigen Finanzhäuser mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro nach einheitlichen Kriterien zu überwachen. Das soll die grenzübergreifende Kontrolle verbessern und Risiken bei einzelnen Instituten oder in bestimmten Marktsegmenten frühzeitig offenbaren.
Die nationalen Aufsichtsbehörden unterstützen die EZB und behalten die Kontrolle über die mittleren und kleineren Institute. In Deutschland ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) weiterhin für etwa 2000 Banken zuständig.
Als "gute Nachricht für die Steuerzahler" bezeichnete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Übernahme der Bankenaufsicht durch die EZB: "Mit dem heutigen Tag ist der Finanzsektor im Euroraum widerstandsfähiger geworden. Wir sind jetzt besser gegen Bankenschieflagen gewappnet." Die Finanz- und Bankenkrise habe gezeigt, dass rein nationale Behörden die großen grenzüberschreitenden Banken nicht mehr hinreichend beaufsichtigen könnten. "Daher ist es richtig, dass die EZB jetzt die Aufsicht für die großen europäischen Geldhäuser übernimmt", erklärte Schäuble.
Die gemeinsame Aufsicht ("Single Supervisory Mechanism"/SSM) ist der erste Schritt auf dem Weg zur geplanten europäischen Bankenunion. Von 2016 an greifen gemeinsame Regeln, um Krisenbanken im Notfall abzuwickeln ("Single Resolution Mechanism"/SRM).
Kritiker befürchten Interessenkonflikte, weil die EZB nun nicht nur für die Zinsen im Euroraum zuständig ist - von denen Banken profitieren - sondern gleichzeitig die Finanzindustrie überwacht. "Es wäre besser gewesen, eine andere, unabhängige Institution wäre geschaffen worden, um die tatsächlich notwendige einheitliche Bankenaufsicht in Europa sicherzustellen", bekräftigte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Deutschlands Sparda-Banken warnen, die neue EZB-Aufsicht könnte indirekt auch erhebliche Auswirkungen für kleinere und mittelgroße Banken haben. "Wir befürchten, dass spezifische Geschäftsmodelle Schritt für Schritt weniger berücksichtigt werden und wir stattdessen europäische Durchschnittskennzahlen anwenden müssen", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Sparda-Banken, Joachim Wuermeling. "Immer mehr mittelständischen Banken wird es dann nicht mehr gelingen, die neuen Regeln zu erfüllen."/ben/sl/DP/bgf
AXC0121 2014-11-04/12:13