
Von Andreas Kißler
BERLIN--Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich am Donnerstag entschlossen gezeigt, Steuerflüchtlingen und Steuerhinterziehern national wie international den Kampf anzusagen. Doch bei einem Punkt blieb er in seiner Regierungserklärung im Bundestag stur: Trotz aller Fortschritte bei der Bekämpfung von Steuerflucht will der Finanzminister keine schnelle Abschaffung der deutschen Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Schäuble will sich zunächst offenbar gar nicht mit dem Thema beschäftigen - obwohl der Koalitionspartner SPD genau darauf dringt.
Schäuble riet in seiner Regierungserklärung dazu, erst einmal zuzuwarten, bis ein international für 2017 angestrebter automatischer Informationsaustausch für Kontoinformationen Realität geworden ist. "Wenn dieser eingeführt ist, kann man das noch einmal überprüfen", erklärte der Finanzminister. "Wenn man den zweiten Schritt vor dem ersten tut, gerät man leicht ins Stolpern."
Vergangene Woche hatten über 50 Staaten bei einer Konferenz in Berlin ein Abkommen zum gemeinsamen Kampf gegen Steuerhinterziehung unterzeichnet. Danach werden die Finanzämter der Unterzeichnerstaaten ab 2017 automatisch Informationen über Auslandskonten austauschen. Schwarz geparktes Vermögen in Steueroasen und Zinsgewinne daraus sollen dann nicht mehr am Fiskus vorbeilaufen. Angesichts dieser Entwicklung ist eine Debatte über die Abschaffung der Abgeltungssteuer entbrannt, bei der Kapitalgewinne derzeit pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, um Steuerflucht unattraktiver zu machen. Nach Überzeugung der Kritiker entfällt mit dem Abkommen aber der Grund für diese Begünstigung.
Die SPD forderte deshalb bei der Bundestagsdebatte, bereits jetzt mit den Vorbereitungen zur Abschaffung der Abgeltungssteuer zu beginnen - anders, als Schäuble dies will.
Mit der Abgeltungssteuer werden Kapitalgewinne in Deutschland seit 2009 pauschal mit 25 Prozent besteuert und automatisch bei der kontoführenden Bank eingezogen. Sie war vom damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eingeführt worden. Die SPD spricht sich aber nun dafür aus, Vermögenserträge künftig wieder mit dem persönlichen Steuersatz zu belasten, der je nach Einkommen bis zu 45 Prozent beträgt.
Der SPD-Finanzexperte Carsten Sieling forderte in der Debatte mit Blick auf die Abschaffung der Abgeltungssteuer, "dass wir uns jetzt auf den Weg machen". Zwar sei der richtige Zeitpunkt für eine Überführung der Abgeltungssteuer in die normale Einkomensteuer der Beginn des automatischen Informationsaustausches. "Wenn man das erreichen will, dann muss man jetzt mit der Arbeit beginnen", warnte Sieling aber. Denn noch seien schwierige Fragen zu klären, so der Umgang mit Zinseinkünften, Veräußerungsgewinnen oder Dividenden.
Auch SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider forderte vom Finanzminister ein schnelleres Vorgehen in dieser Frage. Man müsse die Abgeltungssteuer "spätestens dann, wenn der automatische Informationsaustausch funktioniert, wieder abschaffen", verlangte er. "Die Vorarbeiten müssen vorher laufen."
Noch weiter gingen die Grünen. "Die Abgeltungssteuer kann weg", konstatierte deren Finanzexpertin Kerstin Andreae und forderte von Schäuble "jetzt das Signal, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft wird". Es müsse auch zu einem Informationsaustausch über die Zinsen und Vermögenserträge auf deutschen Konten kommen, "und das geht nur, wenn die Abgeltungssteuer fällt".
Nach dem weltweiten Abkommen sollen in drei Jahren beispielsweise Kontostände, Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Finanzwerten ausgetauscht werden, aber auch die Steuer-Identifikationsnummern. Bisher hätten es 52 Staaten unterzeichnet, aber insgesamt würden sich "bereits rund 100 Staaten und Gebiete" dazu bekennen - darunter auch wichtige Finanzzentren wie die Schweiz und Singapur. Zu den Erstunterzeichnern zählen auch die als Steueroasen gebrandmarkten Cayman Islands, Bermuda und Liechtenstein. Die Schweiz will später hinzustoßen. Länder wie Panama, aber auch die USA verweigern bislang aber die Unterzeichnung.
(Mitarbeit: Christian Grimm)
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November 06, 2014 06:27 ET (11:27 GMT)
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