
64 Stunden Streik, zwei Gerichtsverhandlungen und ein in letzter Minute gerettetes Mauerfall-Jubiläum - der sechste Streik in der Tarifrunde hat die Nerven bei Bahn, Gewerkschaft und Fahrgästen aufs Äußerste strapaziert. Doch was hat es gebracht?
Hat der Streik zu Bewegung geführt?
Zunächst nur formell. Nachdem sowohl die Bahn als auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erklärt haben, zu Verhandlungen bereit zu sein, wälzen sie nun eifrig Terminkalender. Bisher ohne Ergebnis. Schon länger vereinbart ist ein Termin mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am 21. November. Hier könnte die GDL andocken. Es ist aber fraglich, ob ihre Mitglieder so lange warten wollen.
Wie sind die Positionen beider Seiten beim Geld?
Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld, zwei Stunden weniger Arbeit pro Woche und eine Überstunden-Grenze. Die Bahn hat vor vier Wochen sogar fünf Prozent angeboten - jedoch in drei Stufen und bei der relativ langen Laufzeit von 30 Monaten. "Wir haben viele Angebote gemacht, jetzt liegt der Ball im Feld der GDL", sagt Konzernchef Rüdiger Grube.
Geld scheint in dieser Tarifrunde aber das geringere Problem zu sein. "Wenn wir fünf Prozent fordern, bildet sich niemand in der GDL ein - auch nicht der Vorsitzende - dass wir fünf Prozent bekommen", sagt GDL-Chef Claus Weselsky.
Woran hakt es?
Die GDL hat viele Mitglieder beim Zugpersonal gewonnen, die nicht Lokführer sind: Zugbegleiter, Gastronomen, Lokrangierführer, Instruktoren, Trainer, Disponenten. Als Gewerkschaft will sie auch für sie Tarifverhandlungen führen. Die Bahn verhandelt für diese Kollegen aber mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Konkurrierende Tarifverträge in einer Berufsgruppe will die Bahn verhindern, darauf beharrt Konzernchef Grube auch nach dem Streik. Ebenso unnachgiebig zeigt sich Weselsky: "Die Frage steht nicht zur Disposition."
Welche Rolle spielte die EVG?
Sie stützt die Linie des Bundesunternehmens für einheitliche Tarifverträge unter der Parole "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Die aktuelle Streikzeitung der GDL spart denn auch nicht mit Angriffen auf die Konkurrenz. Diese schreite Seit' an Seit' mit der Arbeitgeberseite, heißt es unter der Überschrift "Ich bin ein GDL-Versteher". EVG-Chef Alexander Kirchner kritisiert dagegen die kompromisslose Haltung der GDL und warnt vor weiteren Streiks.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Beide Seiten haben sich nun zum 3G-Prinzip aus dem öffentlichen Dienst bekannt. "Wir sind bereit, auch zur gleichen Zeit, am gleichen Ort mit dem selben Arbeitgebervertreter zu verhandeln", sagt Weselsky. Grube erklärt: "Die beiden Gewerkschaften können sich dann über die Inhalte verständigen, die am Ende für alle Zugbegleiter gleich sind." Gelinge das nicht, müsse eben weiter verhandelt werden. Die Bedingungen für dieses Weiterverhandeln sind der springende Punkt: Die GDL will jeden Mechanismus vermeiden, bei der sie sich der größeren EVG fügen müsste.
Kann man für Weihnachten eine Bahnfahrt buchen?
"Das müssen sie Herrn Weselsky fragen", antwortet Grube auf die Frage nach Streiks an Weihnachten. "Ich kann das nicht garantieren - obwohl ich bekanntlich ein großer Optimist bin." Weselsky ist gestärkt durch die Arbeitsgerichte. "Wir haben zwei gigantische Entscheidungen bekommen, die glasklar sagen: Wir können auch 109 Stunden streiken", betont er. Und was sagt er zur Weihnachtsfrage? Er lässt es offen: "Sicherlich ist eine Einigung möglich, wenn wir endlich dazu kommen, dass wir über die Inhalte verhandeln." Doch daran beißen sich beide Seiten seit Monaten die Zähne aus./bf/DP/tav
AXC0193 2014-11-10/16:20