
Von Andreas Kißler
BERLIN--Der deutsche Außenhandel hat in der Chor jener eingestimmt, die von der Politik einen Verzicht auf Maßnahmen fordern, die die Wirtschaft schädigen. Trotz neuer Höchstwerte im Außenhandel bestehe "kein Grund zum Jubeln", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton F. Börner.
Der Grund für diese Warnung: Zu hohe Energiepreise, weiter steigende Arbeitskosten und eine sträflich vernachlässigte Infrastruktur bleiben nach Überzeugung des Außenhandelspräsidenten "unübersehbare Baustellen", die für eine Industrienation schädlich sind.
Börner forderte deshalb einen Verzicht auf zahlreiche von der Großen Koalition geplante Maßnahmen - wie vor ihm auch schon andere Vertreter aus der Wirtschaft. "Damit wir auch in schweren Zeiten erfolgreich arbeiten können, dürfen den Unternehmen keine weiteren Mühlsteine um den Hals gehängt werden", sagte er. "Ob Befristung, Werkverträge oder Anti-Stressverordnung: Alle diese Pläne einschließlich neuer Ausgabenposten gehören auf die Seite gelegt", verlangte der BGA-Präsident.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte Ende Oktober angesichts trüberer Konjunkturaussichten einen "Stopp" für von der Koalition geplante Maßnahmen gefordert, die die Wirtschaft belasten würden. Insgesamt verlangte der DIHK einen Verzicht auf 36 Vorhaben, darunter die Einführung der Pkw-Maut und die Ausweitung der Lkw-Maut, die Mietpreisbremse, die Frauenquote, Verschärfungen im Energiebereich und das Rückkehrrecht bei Teilzeitarbeit.
Anfang der Woche fanden diese Forderung auch Unterstützung von der Ökonomie, als des arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Politiker davor warnte, die deutsche Wirtschaft zusätzlich zu belasten. "In den vergangenen zwölf Monaten hat sich in Deutschland einiges zu Lasten der Betriebe entwickelt", erklärte IW-Direktor Michael Hüther, "zum Beispiel die Rente mit 63 und der Mindestlohn". Auch die strengere Regulierung der Zeitarbeit schaffe zusätzliche Kosten.
Börner malte allerdings ein insgesamt positives Bild der Konjunkturlage für seine Branche: "Trotz einer Vielzahl von politischen Krisen und wirtschaftlichen Risikofaktoren erachten wir die weltwirtschaftliche Gesamtentwicklung als durchaus positiv." Kritischer sah er aber die Frage, "ob Deutschland seine Stellung in der Weltwirtschaft halten und an diesen positiven Entwicklungen gleichermaßen partizipieren kann".
Für das laufende Jahr 2014 bekräftigte der BGA in diesem Zusammenhang seine Prognose, dass die Ausfuhren um 3 Prozent auf 1,127 Billionen Euro steigen werden. Die Importe würden voraussichtlich um 2 Prozent wachsen und damit 914,1 Milliarden Euro erreichen. Das Handelsvolumen steigt demnach auf 2,041 Billionen Euro. Der Außenhandelsbilanzüberschuss dürfte sich nochmals weiter vergrößern und 212,5 Milliarden Euro erreichen.
Für 2015 erwartet der Verband dann ein leichtes Anziehen der weltweiten Konjunktur und rechnet beim Ausbleiben neuer geopolitischer Konflikte mit einem Exportwachstum in Höhe von 4 Prozent auf 1,171 Billionen Euro und einem Importwachstum in Höhe von 3,5 Prozent auf 946,1 Milliarden Euro.
Börner monierte aber, die Regierung habe es versäumt, die richtigen Bedingungen für Krisenzeiten zu schaffen. "Nüchtern müssen wir festhalten, dass die Politik in den vergangenen guten Jahren trotz zahlreicher Mahnungen nicht für unvorhersehbare, doch garantiert kommende, schwierigere Zeiten vorgesorgt hat", kritisierte er. "Das fällt uns nun auf die Füße."
Der BGA erwartet aufgrund der entstandenen Überkapazitäten im Markt und der sinkenden Rohstoffpreise infolge der moderaten Weltkonjunktur keinen externen Druck auf die Energiekosten. Die deutsche Wirtschaft profitiere aber aufgrund der Energiewende nicht im gleichen Maß wie andere davon. "Selbstkritisch gilt es zu hinterfragen, inwieweit Deutschland mit diesen und weiteren Maßnahmen sein eigenes Fundament aushöhlt", meinte Börner. "Der Blick auf unseren Anteil an den weltweiten Exporten bescheinigt leider, dass wir an Boden verlieren." Dieser sei von 2003 bis 2013 von 9,9 Prozent auf 7,7 Prozent gesunken.
Wolle die Politik etwas dafür tun, dass Deutschland vorne bleibe, müsse sie für eine Erhöhung der chronisch zu niedrigen Investitionsquote sorgen. Nötig seien allerdings keine Konjunkturprogramme, sondern eine substanzielle und dauerhafte Erhöhung von Investitionen der öffentlichen Hand und vor allem stärkere private Investitionsimpulse.
"Beides ist möglich ohne neue Schulden durch Umschichtungen in öffentlichen Haushalten und bessere Rahmenbedingungen für Investoren aus dem In- und Ausland," meinte Börner. Schließlich nehme der Staat heute 50 Prozent mehr ein als vor zehn Jahren - und gleichzeitig flössen fast 50 Prozent aller Einnahmen in den Sozialhaushalt.
"Wir müssen vermeiden, uns selbst im Weg zu stehen und es muss allen klar sein, dass jede Politik ihren Preis hat", verlangte der BGA-Präsident. Diesen Preis müssten zu einem überwiegenden Teil die Unternehmen bezahlen - und allen sollte daran gelegen sein, sie auch wettbewerbsfähig zu halten. Hierfür brauche man "bezahlbare Energie, eine exzellente Infrastruktur und neue Wachstumsimpulse, wie sie ein TTIP-Abkommen leisten kann". Von dem geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA erwartet er neue Wachstumsimpulse.
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November 19, 2014 04:37 ET (09:37 GMT)
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