
Von Stefan Lange
BERLIN--Der Rentenbeitrag wird im kommenden Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 18,7 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre sinken. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Bundeskabinett in Berlin, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch mitteilte. Union und SPD versprechen sich eine Entlastung der Arbeitnehmer um rund eine Milliarde Euro. Die Arbeitskosten der Wirtschaft sollen ebenfalls um rund eine Milliarde Euro sinken. 1995 betrug der Beitragssatz 18,6 Prozent, danach lag er meist deutlich über 19 Prozent.
Die Beitragssatzsenkung ist eine Folge des geltenden Rechts: Möglich wird sie dank der prall gefüllten Rentenkasse. Wenn die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenversicherung den Höchstwert von 1,5 Monatsausgaben überschreitet, muss der Beitragssatz grundsätzlich gesenkt werden. Nach Angaben der Bundesregierung liegt die Rücklage zum Jahresende geschätzt bei rund 33,5 Milliarden Euro, das ist mehr als das 1,5-fache einer monatlichen Rentenzahlung.
Der Rentenbeitrag hätte bereits 2014 sinken können, da die Nachhaltigkeitsreserve in diesem Jahr ebenfalls deutlich über 1,5 Monatsausgaben lag. Die Regierung verzichtete jedoch per Gesetz darauf, um mit dem Geld Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, unter anderem die Rente mit 63, zu finanzieren.
Die Beitragssatzsenkung ist allerdings trügerisch, denn der Bundeszuschuss zur Rentenkasse steigt ständig. Derzeit liegt er bei rund 82 Milliarden Euro. Laut Finanzplanung des Bundes muss der Zuschuss in den nächsten Jahren auf mehr als 90 Milliarden Euro steigen.
Außerdem schlagen Maßnahmen wie die Rente mit 63 oder die Mütterrente erst in den nächsten Jahren voll durch. Die Bundesregierung schätzt, dass der Beitragssatz erstmals 2019 auf 19,7 Prozent angehoben werden muss. Bis 2030 dürfte er dann laut Finanzplanung auf stolze 22 Prozent steigen - so hoch wie noch nie in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Neben der Mütterrente hat der Staat noch einen ganzen Batzen anderer Altersansprüche an der Backe. Allein für die Postbeamtenversorgungskasse ist zwischen 2020 und 2030 ein Bundeszuschuss in Höhe von rund 76 Milliarden Euro erforderlich, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Linksfraktion hervorgeht. Für die Jahre 1995 bis 2020 wird der Zuschussbedarf demnach bei 117 Milliarden Euro liegen.
FDP-Chef Christian Lindner kritisierte denn auch, Union und SPD machten eine Rentenpolitik gegen die Generation der Enkel. "Die langfristigen Kosten werden unter den Teppich gekehrt, um kurzfristig Applaus zu erhalten. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Belastungen nach 2017 außer Kontrolle zu geraten drohen", erklärte er. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hingegen meinte, die "positive Entwicklung der Rentenfinanzen zeigt: Die Leistungen der Rentenversicherung sind verlässlich und solide finanziert".
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November 19, 2014 06:41 ET (11:41 GMT)
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