
Von Christian Grimm
BERLIN--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verlangt von den Energiekonzernen die Abschaltung alter Kohlekraftwerke. Nur so könne Deutschland seine Klimaziele bis 2020 erreichen, lautet der Grundtenor einer neuen DIW-Studie. Die Wissenschaftler schlagen vor, ab dem kommenden Jahr die ältesten und unwirksamsten Kohlemeiler vom Netz zu nehmen. "Der Stromsektor sollte einen stärkeren Beitrag zum Erreichen der kurz- und mittelfristigen Klimaziele leisten", erklärte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert bei der Vorstellung ihrer Analyse am Mittwoch in Berlin.
Betroffen von der Zwangsabschaltung sind in Kemferts Modell 38 Kraftwerke oder Kraftwerksblöcke. Zusammen entfielen damit 3 Gigawatt an Steinkohle- und 6 Gigawatt an Braunkohlekapazität. Nach Berechnung des DIW könnte dadurch ein Drittel der benötigten Menge an Treibhausgas entfallen, das Deutschland bis 2020 einsparen muss. Die Bundesregierung hat sich selbst verpflichtet, den Ausstoß an Kohlendioxid im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Doch ohne zusätzliche Maßnahmen wird Deutschland nach den Berechnungen des Umweltministeriums nur 33 Prozent erreichen.
Widerstand gegen die Abschaltung der Kohlekraftwerke kommt von der SPD. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zur Kohle bekannt. Für die Energiekonzerne aus NRW sind die Kohlemeiler derzeit die einzigen Gewinnbringer. Die Industrie an Rhein und Ruhr freut sich außerdem über die niedrigen Industriestrompreise.
Energieforscherin Kemfert versuchte der Stromwirtschaft den Abschied von ihren Kraftwerken dennoch schmackhaft zu machen. Weil dann weniger Strom produziert würde, stiegen die Preise voraussichtlich um einen Cent pro Kilowattstunde. Das würde wiederum die Profite der verbleibenden Meiler stärken. "Weil dem Klima und dem Strommarkt gleichzeitig geholfen wäre, winkt sogar eine doppelte Dividende", sagte Kemfert.
Die Bundesregierung will Anfang Dezember ihren Plan vorstellen, wie mehr Treibhausgase eingespart werden können. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (auch SPD) macht sich anders als Gabriel und Kraft für das Aus alter Kohlekraftwerke stark.
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November 19, 2014 07:16 ET (12:16 GMT)
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