
Von Stefan Lange
BERLIN--Die Bundesregierung hat demonstrativ zurückhaltend auf das 315 Millliarden Euro schwere Investitionsprogramm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstütze das Programm "im Grundsatz", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin und betonte gleichzeitig, dass Junckers Vorschläge nun "genau studiert und beraten werden" müssten. Für das Bundesfinanzministerium sagte Sprecherin Marianne Kothé, die Finanzierungsfrage sei jetzt nicht vorrangig. Erst einmal müssten konkrete und wirtschaftlich tragfähige Projekte identifiziert und unterstützt werden.
Kothé verwies zudem ausdrücklich auf das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigte Investitionsprogramm für Deutschland in Höhe von zehn Milliarden Euro für die Jahre 2016 bis 2018. "Natürlich gehört in diesen ganzen Kontext auch das, was wir hier national in Deutschland machen", sagte Kothé mit Blick auf die Pläne des Kommissionspräsidenten.
Damit scheint klar, dass Juncker für seinen ambitionierten Plan mit dem Geld auskommen muss, das bereits in den EU-Töpfen vorhanden ist. Frisches Geld wird es offenbar nicht geben.
Herzstück des Plans ist denn auch ein neuer Fonds für strategische Investitionen, der Investitionsprojekte etwa in den Bereichen Energie, Verkehr, Bildung und Forschung absichern und dadurch ein Vielfaches an privaten Investitionen erzeugen soll. Der Fonds soll mit 16 Milliarden Euro aus bereits vorhandenen EU-Mitteln plus 5 Milliarden Euro von der Europäischen Investitionsbank (EIB) ausgestattet werden. Die EU-Kommission geht davon aus, dass so auch bei privaten Unternehmen Investitionen angeschoben werden können, die mindestens 15 Mal so hoch liegen wie die Fondssumme von 21 Milliarden Euro.
Aber auch hier wird die Bundesregierung dem Junker'schen Plänen vorher noch einmal genau auf den Zahn fühlen. Die konkrete Prüfung der Vorschläge aus Brüssel gelte "insbesondere" für den Strategie-Fonds, betonte Kothé. "Wichtig aus unserer Sicht ist, dass der Fokus natürlich auch darauf liegt, dass investitionsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden", sagte die Sprecherin.
Seibert erklärte, es komme aus Sicht von Kanzlerin Merkel entscheidend darauf an, in welchen Gebieten die Investitionen stattfänden. Merkel hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach betont, die Digitalisierung - also der Ausbau der digitalen Infrastruktur - müsse beim geplanten Milliarden-Paket ganz oben auf der Agenda stehen. Die Digitalisierung sei für die Wertschöpfung in Zukunft "von entscheidender Bedeutung".
Im Bundestag bekräftigte Merkel, ein wesentlicher Schwerpunkt für sie sei es, "die Chancen der Digitalisierung für Europa zu ergreifen." Europa müsse vor allem wieder attraktiver werden für private Investitionen, sagte die CDU-Vorsitzende. Es komme auf einen investitionsfreundlichen Rahmen an, etwa durch Bürokratieabbau, um kleine und mittlere Unternehmen als Träger von Wachstum und Beschäftigung zu entlasten.
Das Investitionsprogramm wird laut Seibert beim EU-Gipfel am 18. und 19. Dezember in Brüssel ein "zentrales Thema" sein. "Dann werden sich die Staats- und Regierungschefs damit befassen und die weiteren Schritte dazu beraten", sagte er.
Lob für Juncker gab es hingegen von den Grünen im Bundestag. Deren finanzpolitischer Sprecher Gerhard Schick sprach von einem "richtigen Richtungswechsel". Juncker mache damit deutlich, "dass die Kanzlerin mit ihrer einseitigen Politik der letzten Jahre auf dem Holzweg war. Jetzt ist entscheidend, ob die Bundesregierung bereit ist, diesen Kurswechsel zu unterstützen." Klärungsbedarf hat Schick dennoch. Bei der Finanzierung der Investitionen sei Skepsis angebracht. "Investitionen zu fördern darf nicht heißen, private Investoren mit Bürgschaften die Verantwortung abzunehmen und risikolose Gewinne zuzuschanzen," sagte er.
Mitarbeit: Andreas Kißler
mit Material von AFP
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November 26, 2014 09:34 ET (14:34 GMT)
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