Von Andreas Kißler
BERLIN--Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat den momentan guten Zustand der deutschen Wirtschaft gelobt, zugleich aber vor einer "Verwundbarkeit" des Wirtschaftswachstums vor allem durch internationale Entwicklungen gewarnt.
Das deutsche Wachstum, das die Bundesregierung erst am Mittwoch für dieses Jahr mit erneut 1,5 Prozent prognostiziert hat, werde außer von einer guten Binnenkonjunktur auch ganz wesentlich von den beiden externen Faktoren niedriger Ölpreis und schwacher Eurokurs getragen. "Das wiederum zeigt aber auch die Verwundbarkeit unseres Wirtschaftswachstums", sagte der Vizekanzler. "Gerade im letzten Jahr haben wir erlebt, dass gute Wachstumsprognosen schnell das Papier nicht mehr Wert sein können, wenn die internationale Lage sich auf einmal verschlechtert."
Deswegen bleibe die unsichere Lage zum Beispiel im Ukraine-Konflikt oder im Nordirak "auch Unsicherheitsfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land", warnte Gabriel in seiner Regierungserklärung, die unter dem Motto "Investieren in Deutschlands und Europas Zukunft" stand. Dazu komme eine schwächere Entwicklung in wichtigen deutschen Exportregionen wie China und Lateinamerika.
"Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung", konstatierte er zwar. Jedoch dürfe über den relativ guten Prognosen nicht vergessen werden, "die Aufgaben anzugehen, die wir selbst im eigenen Land und in Europa angehen müssen, um unsere eigene Stärke zu verbessern". Als Herausforderungen nannte Gabriel die demografische Entwicklung, die Deutschland wie kaum ein anderes Land treffe, und die europäische Integration.
Das Kabinett hatte am Mittwoch im Jahreswirtschaftsbericht seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum von bisher erwarteten 1,3 Prozent auf 1,5 Prozent angehoben. Das wäre prozentual derselbe Zuwachs der Wirtschaftsleistung, der 2014 erzielt wurde. Die Regierung erwartet, dass dieses Jahr besonders der Mindestlohn und die Anhebung und Ausweitung der Rentenleistungen die Konsumnachfrage stärken werden.
In dem Bericht, der unter Federführung Gabriels entstand, sagt die Regierung für dieses Jahr eine Zunahme der Inlandsnachfrage um 1,6 Prozent voraus und erwartet einen Rückgang der Arbeitslosenquote auf 6,6 Prozent.
Die Opposition warf der Regierung bei der Debatte am Donnerstag aber eine falsche Politik vor. "Die Menschen nehmen nicht mehr gleich an der wirtschaftlichen Entwicklung teil, sondern ein großer Teil ist abgehängt", sagte Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst. Er forderte "gleichen Lohn für gleiche Arbeit von der ersten Stunde" und Verbesserungen bei der Befristung von Arbeitsverträgen.
Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Kerstin Andreae meinte, die guten Rahmenbedingungen ließen Spielraum für richtige Investitionen. Doch die Regierung setze hier die falschen Prioritäten, monierte sie. "Worum es uns geht, ist, dass sie bei den Investitionen die richtige Spur legen müssen", sagte sie dem Nachrichtensender Phoenix. Anstatt einer "Spatenstichpolitik" beim Bau von Infrastruktur sei zum Beispiel mehr Förderung von Elektromobilität nötig.
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January 29, 2015 06:25 ET (11:25 GMT)
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