
Von Andreas Kißler
BERLIN--Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat nach einem Treffen mit dem neuen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis auf Verlässlichkeit bei der Einhaltung getroffener Vereinbarungen gepocht, gleichzeitig aber Gesprächsbereitschaft in Einzelfragen erkennen lassen. Bei einer Pressekonferenz sprach er von einem "breiten gemeinsamen Grundverständnis". Einen Schuldenschnitt lehnte Schäuble erneut ab. Varoufakis sagte zu, Deutschland könne von Griechenland ein "Höchstmaß an Vernunft" erwarten.
Habe man die besondere Konstruktion der Währungsunion im Blick, "dann ist entscheidend, dass Vereinbarungen, die wir treffen, auch eingehalten werden", sagte Schäuble. "Verlässlichkeit ist die Voraussetzung für Vertrauen," betonte er. "Ich muss ein wenig darauf achten, dass Absprachen, die wir getroffen haben, auch eingehalten werden."
Griechenland befinde sich noch in einem laufenden Programm. "Wenn dieses Programm geändert werden soll, braucht es dazu eine Vereinbarung", betonte er. "Wir waren uns, wenn ich das richtig verstanden habe, einig, dass das Thema Schuldenschnitt nicht von aktueller Bedeutung ist", sagte er zudem.
Varoufakis erklärte, das derzeitige Hilfsprogramm laufe bis zum 28. Februar. Athen wolle aber ein Überbrückungsprogramm bis Ende Mai, "damit wir ein bisschen Luft haben". In kurzer Zeit solle es dann eine Vereinbarung mit EU und IWF geben.
Deutschland habe in der griechischen Regierung "einen potentiellen Partner, wenn es darum geht, Lösungen für Europa zu finden", betonte er. "Sie können von meiner Regierung ein Höchstmaß an Vernunft erwarten." Griechenland befinde sich aber in einer grausamen Deflations- und Schuldenspirale, tue aber alles, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.
Die deutsche Opposition übte allerdings Kritik. "Die Bundesregierung muss endlich von ihrer ideologischen, verbohrten Europapolitik abrücken und sich auf konstruktive Verhandlungen und Lösungen in Europa einlassen", forderte der Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, immer weiter steigender Schuldenquoten, wirtschaftlicher Instabilität und Deflationsgefahren sei klar, dass die Austeritätspolitik in Europa gescheitert sei. "Wir brauchen eine sozial-ökologische Investitionsoffensive", verlangte Kindler.
Unterdessen wurde das Berliner Treffen begleitet von Protesten vor Schäubles Finanzministerium. Griechenland ist am Donnerstag unter weiteren Druck geraten, weil die Europäische Zentralbank (EZB) überraschend Sonderregelungen für den Einsatz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten aufhob und damit den Zugang zu frischem Geld erschwerte. Der griechische Finanzminister hatte vor seinem Besuch in Berlin Gespräche in mehreren anderen EU-Hauptstädten geführt. Erst am Mittwoch hatte er sich mit EZB-Präsident Mario Draghi getroffen.
Im Vorfeld hatte die Bundesregierung sich von dem Treffen mit Varoufakis Aufschluss über die konkreten Planungen in Athen versprochen. Es ist der erste Besuch eines Mitglieds der neuen griechischen Regierung in Berlin. "Wir freuen uns auf die ersten Begegnungen, warten auf die konkreten Vorschläge, und dann können wir weiter sprechen", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch gesagt.
Schäuble hatte sich am Mittwoch demonstrativ gelassen gezeigt und gesagt, er werde "hören, wie man sich das in Griechenland vorstellt". Deutschland beharrt aber auf die Einhaltung der griechischen Verpflichtungen, vor allem auf Strukturreformen.
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February 05, 2015 08:09 ET (13:09 GMT)
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