
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bei den Sozialdemokraten wächst nach der harschen Kritik von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an Griechenland die Unzufriedenheit mit der Verhandlungsführung des 72-jährigen CDU-Politikers gegenüber Athen. Spitzenpolitiker der SPD legten dem Finanzminister indirekt eine Mäßigung seines Tones nahe.
"Ich kann uns allen nur empfehlen, wieder auf eine sachliche Ebene zurückzukommen", betonte SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. Zwar stehe es ihr "nicht an, als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Herrn Schäuble aufzufordern", sagte sie auf eine entsprechende Frage von Journalisten. "Aber es ist wichtig, wieder auf eine sachliche Ebene zu kommen - von allen Seiten," hob sie hervor. Dazu werde sicher auch das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras "einen Teil beitragen".
Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Schneider übte Kritik an Schäuble. "Die permanente Provokation hilft überhaupt nicht", sagte Schneider, der vorige Woche mehrere Tage in Athen Gespräche mit dortigen Spitzenparlamentariern geführt hatte, bei einer anderen Veranstaltung zu Journalisten. Solche Provokationen verstärkten nur den Effekt, dass sich die Griechen zurückzögen und ihrerseits Deutschland kritisierten.
Der Ton zwischen Berlin und Athen ist in den vergangenen Tagen immer schärfer geworden. Schäuble übte am Montagabend heftige Kritik an der griechischen Regierung. Die von Athen vorgeschlagene Politik werde nicht funktionieren, die griechische Regierung habe das Vertrauen komplett zerstört und belüge das griechische Volk, sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung.
Am Dienstag äußerte sich der Finanzminister dann in der Fraktionssitzung laut einem Teilnehmer zwar überhaupt nicht zum Thema Griechenland. Dafür griff aber der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder Athens Finanzminister Yanis Varoufakis vor der Sitzung scharf an. Es sei "nicht akzeptabel, dass ein Regierungsmitglied im deutschen Fernsehen so lügt, wie es der Herr Finanzminister gemacht hat, und wie jetzt auch nachgewiesen worden ist".
Bereits am Dienstag sprachen sich die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD zwar demonstrativ für einen Verbleib Athens in der Eurozone aus, sie mahnten aber zugleich eine Erfüllung der Bedingungen durch Athen an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dämpfte in der Fraktionssitzung der Union nach den Angaben aber die Erwartungen an eine schnelle Lösung der Griechenland-Krise. "Das sind schwierige Gespräche", wurde sie zitiert. Das Gespräch mit Tsipras könne aber nicht die Bewertung durch die Troika der drei Geldgeber-Institutionen ersetzen.
Tsipras kommt am Montag kommender Woche zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Zu diesem Besuch hatte ihn Merkel erst am Montag kurzfristig eingeladen.
Lambrecht von der SPD betonte am Mittwoch erneut das Ziel der Großen Koalition, Athen im Euro zu halten, pochte aber auch auf die Einhaltung der griechischen Zusagen. Grundsätzliches Ziel sei es, Griechenland in der Eurozone zu halten. "Aber das ist kein Einbahnstraße", betonte sie. "Es geht nicht um jeden Preis. ... Griechenland muss jetzt auch liefern", forderte Lambrecht. Der Frage, was geschehe, falls Athen nicht liefere, beantwortete sie nur vage: "Dann werden wir uns mit der Situation beschäftigen."
Schneider betonte, nach seinem Eindruck aus den Gesprächen in Athen herrsche dort der Eindruck vor, "dass man ein drittes Hilfsprogramm braucht".
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March 18, 2015 07:09 ET (11:09 GMT)
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