
Von Michael Denzin
Eine entscheidende Woche mit langfristiger Weichenstellung steht den Aktienmärkten bevor. Denn die Themen der Vergangenheit sehen abgearbeitet aus. Nach den lange herbeigesehnten Aussagen der US-Notenbank zu ihrer künftigen Zinspolitik könnten sich Trendwechsel an den Börsen abzeichnen. Das Thema "Euroschwäche" dürfte angesichts der sanften Fed-Aussagen nicht mehr als sicherer Kurstreiber für Europas Aktien herhalten. Die Zeit der einfachen Kursgewinne mit europäischen Aktien könnte damit vorbei sein.
Für Aktionäre wird es wieder komplizierter: Sie müssen sich fragen, ob die hohen Bewertungen der Aktien auch von den Konjunkturaussichten gestützt werden. Dazu passend wird eine Fülle von Einkaufsmanagerindizes aus China, den USA und Europa veröffentlicht. Daneben drängt sich Griechenland als Krisenherd wieder in den Vordergrund.
Wie wichtig der Euro als Kurstreiber für den DAX ist, dürfte sich ab kommender Woche zeigen. Bislang blieben die Reaktionen an den Devisenmärkten nach der Fed-Verlautbarung noch ruhig. Der Euro stabilisierte sich lediglich unter 1,08 Dollar. "Das muss aber noch gar nichts heißen", sagte ein Händler: "Langfristige Investoren planen nicht im Minutentakt". Sollten diese Großanleger den Euro als nach unten ausgereizt betrachten, wäre der Kurstreiber Nummer eins für den DAX, das Thema "Euroschwäche" und die daraus folgenden Unternehmensgewinne, endgültig passe.
Als Folge könnten langfristige und volumenstarke Portfolioumschichtungen aus dem DAX und Europa einsetzen. Sie dürften sich in Richtung US-Markt und Schwellenländer bewegen, die lange unter dem starken Dollar gelitten hatten. Der DAX stünde damit vor einer langen Phase der Underperformance gegenüber diesen Märkten. Analysten warnen bereits, dass die Outperformance des DAX gegenüber dem US-Hauptindex S&P-500 seit Anfang Januar auf Extremwerte gestiegen und damit entsprechend anfällig für eine Gegenbewegung sei.
Ein nicht wirklich neues, aber lange verdrängtes Thema zwängt sich nächste Woche wieder auf die Agenda: Griechenland. Hier läuft die Uhr immer schneller ab. Rund 33 Milliarden Euro muss das Land dieses Jahr an seine Gläubiger zurückzahlen - und bisher ist nicht der kleinste Lösungsansatz in Sicht. Auffallend dabei ist vor allem, dass immer mehr Euro-Ländern der Geduldsfaden angesichts des hellenischen Lavierens reißt. Besonders die kleineren EU-Länder sehen langsam nicht mehr ein, warum so große Ressourcen der Union von nur einem Land gebunden werden. Unter anderem sagte der slowakische Finanzminister Kazmir, "uns geht die Geduld aus". Auch aus Belgien und Finnland sind ähnliche Stimmen zu hören.
Daher schließen immer mehr Marktteilnehmer einen "Graccident", also das unfallartige und nicht wirklich geplante Herausfallen des Landes aus der Eurozone, nicht mehr aus. Auch die griechische Bevölkerung bereitet sich schon darauf vor: Nachdem vermehrt von notwendigen Kapitalverkehrskontrollen die Rede war, sprang die Flucht aus Bankeinlagen diese Woche auf ein Einmonatshoch.
Gleichzeitig beweisen andere Länder, dass alles auch reibungslos funktionieren kann - so zum Beispiel Portugal: Das Land schloss diese Woche eine Rückzahlung von 6,6 Milliarden Euro an den IWF nicht nur verlässlich, sondern sogar vorzeitig ab. Bei Griechenland setzt man dagegen auf das Treffen von Ministerpräsident Alexis Tsipras mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in Berlin. Hier hofft man darauf, dass es Merkel gelingen wird, den griechischen Regierungschef zur Vernunft zu bringen.
Auch Konjunkturdaten werden wieder eine viel stärkere Beachtung finden: Händler sprechen sogar von einer "Woche der PMI". In allen großen Volkswirtschaften stehen wichtige Einkaufsmanagerindizes (PMI) zur Veröffentlichung an. So in China der HSBC-Einkaufsmanagerindex, diverse PMI aus den Ländern der Eurozone und in Deutschland der ifo-Geschäftsklimaindex.
Auf all diesen Frühindikatoren lastet eine schwere Bürde: Sie müssen ein Wachstum ausweisen, dass die hohen Gewinnerwartungen an die Unternehmen untermauert. Denn hier sieht es kritisch aus - die hohe Aktienbewertung preist bereits sehr hohe Erwartungen ein. "Schwachpunkt bleibt die mangelnde Untermauerung des jüngsten Kursanstiegs durch eine entsprechende Verbesserung der Unternehmensgewinne", heißt es dazu warnend von den Analysten der Helaba. Nur ein Drittel der DAX-Unternehmen habe in der Berichtssaison die Gewinnerwartungen übertroffen.
Und bei den Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate dominieren schon wieder die Abwärtsrevisionen. Daher sei ein Gewinnwachstum von 10 Prozent, wie es derzeit für den DAX unterstellt wird, "aus unserer Sicht zu ambitioniert", so die Helaba.
Fundamental gebe es damit eher Kursrisiken: Auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses seien Aktien nunmehr teurer als in den vergangenen zehn Jahren. Zudem werde der DAX nun zum Zweifachen seines Buchwertes gehandelt - nur auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase sei noch mehr bezahlt worden. Und mit einem Kurs-Cashflow-Verhältnis von "deutlich über 8" überträfen deutsche Aktien sogar die Extremwerte aus dem Jahr 2000, heißt es weiter.
Sollten die diversen Konjunkturindikatoren also alles andere als herausragend ausfallen, könnte im DAX der Beginn kräftigerer Gewinnmitnahmen eingeleitet werden.
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March 20, 2015 09:35 ET (13:35 GMT)
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