
Von Inti Landauro und Robert Wall
SEYNE (Dow Jones)--Französische Suchhubschrauber haben am Mittwoch damit begonnen, Polizei und Rettungspersonal in das Gebiet zu fliegen, in dem ein Airbus A320 der deutschen Germanwings am Dienstag mit 150 Personen an Bord verunglückt ist. In der Zwischenzeit wurde auch die Blackbox mit den Sprachaufzeichnungen der Piloten gefunden. Die Ermittler erhoffen sich von dieser beschädigten, aber auswertbaren Blackbox einen ersten Durchbruch bei der Frage nach der Ursache der Tragödie, bei der alle Menschen an Bord, darunter auch 67 Deutsche, den Tod gefunden haben.
Bei Einbruch der Dunkelheit waren am Dienstag die Suchanstrengungen eingestellt worden. Lediglich einige Gebirgspolizisten blieben vor Ort, um die Absturzstelle zu sichern. Am Dienstag hatte der Airbus aus bislang ungeklärten Gründen nach Erreichen der Reiseflughöhe an Höhe verloren und war nach einem achtminütigen Sinkflug in einem schwer zugänglichen Gebiet in den französischen Alpen abgestürzt.
Die Toten würden in dem kleinen Alpenort Seyne zur Identifizierung aufgebahrt werden, sagte Pierre-Henry Brandet, ein Sprecher des französischen Innenministeriums. Weil die Trümmerteile über ein großes Gebiet verteilt seien, die nur über stundenlange Fußmärsche oder per Helikopter zugänglich sind, werde die Bergung der Opfer Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen, sagte Brandet. Ein Team von etwa 50 Gebirgspolizisten, die sich schon am Vortag auf den Weg in die Region gemacht hatten und über Nacht ihre Aktion unterbrechen mussten, sollen trotz des schlechten Wetters in der Region im Laufe des Mittwoch vormittags am Unglücksort ankommen.
Nach Angaben von Offiziellen, die über den Unglücksort geflogen sind, bietet sich ein Bild des Schreckens. Eine ganze Bergregion sei von Trümmerteilen übersät, was darauf hindeute, dass der Flug 9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf beim Aufprall zertrümmerte. Dennoch gelang es dem Rettungspersonal, die Blackbox mit den Sprachaufzeichnungen aus dem Cockpit zu finden. Dort sind die Gespräche der Besatzung der letzten beiden Stunden aufgezeichnet, und die Behörden gehen davon aus, dass die Box trotz schwerer Beschädigungen ausgewertet werden kann. Ein Sprecher der französischen Staatsanwaltschaft sagte, man wolle schon am Nachmittag erste Ergebnisse der Auswertung vorlegen. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.
Von der Auswertung erhofft sie sich erste Hinweise darauf, ob die Crew aus irgendwelchen Gründen handlungsunfähig wurde oder mit technischen Problemen der Maschine zu kämpfen hatte und ob automatisch ausgelöste Warntöne etwas über die Abfolge des Absturzes aufzeigen können. Das BEA, eine französische Bundesbehörde zur Untersuchung von Flugzeugabstürzen, hat in seinem Hauptsitz in Bourget vor den Toren von Paris das notwendige Gerät, um auch schwer beschädigte Sprachrecorder auszuwerten. Die BEA ist einer der Spezialisten für die Auswertung von Blackboxen des Herstellers Airbus, der in Toulouse seinen Hauptsitz hat.
Noch gesucht wird derweil die zweite Blackbox der Maschine, die die Computeraufzeichnungen aus der Maschine der letzten 25 Stunden und damit die vollständigen Systemaufzeichnungen des gesamten Fluges von Barcelona bis zum Absturz aufzeichnet. Glücklicherweise habe es bisher nicht geschneit, da Schneefall die Suche noch weiter verkomplizieren würde, sagte der Hubschrauberpilot Xavier Roy, der die Luftoperationen koordiniert.
Über die Absturzursache wird weiter gerätselt. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, keine Ursache könne ausgeschlossen werden, aber ein Terroranschlag stehe nicht im Zentrum der Ermittlungen. Die deutsche Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) hat ebenfalls drei Beamte vor Ort geschickt, um die lokalen Behörden bei der Aufarbeitung zu unterstützen.
Die Deutsche Lufthansa, der Mutterkonzern von Germanwings, ließ derweil seine 120.000 Mitarbeiter weltweit um 10:53 Uhr, dem Moment des wahrscheinlichen Aufpralls der Maschine, eine Schweigeminute abhalten. Mitarbeiter von Germanwings sind offenbar schwer von dem Unglück betroffen. Bereits am Dienstag war es zu Flugausfällen gekommen, weil sich einzelne Crewmitglieder nicht in der Lage sahen, einen Flug durchzuführen.
Auch am Mittwoch musste deswegen ein weiterer Flug abgesagt werden. Germanwings wird sich Besatzungsmitglieder und elf Flugzeuge vom Lufthansa-Mutterkonzern ausleihen, um einige seiner Flüge am Mittwoch durchführen zu können. Derweil wird die Flugnummer 4U9525 des Unglücksflugs künftig nicht mehr verwendet werden. Diese Nummer "wird es nicht mehr geben", sagte ein Sprecher von Germanwings.
Mitarbeit: Natascha Divac in Frankfurt
Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com
DJG/DJN/kgb/jhe
(END) Dow Jones Newswires
March 25, 2015 07:18 ET (11:18 GMT)
Copyright (c) 2015 Dow Jones & Company, Inc.