Von Ryan Knutson und Klaus Brune
NEW YORK/FRANKFURT (Dow Jones)--Das juristische Tauziehen um die neuen Regeln zur Netzneutralität in den USA nimmt Fahrt auf. Am Dienstag schloss sich der führende Telefonanbieter AT&T den Klagen verschiedener Branchenverbände gegen die neuen Regeln an, mit denen die US-Telekommunikationsaufsicht FCC am Montag das kostenpflichtige Überholen im Internet verboten hatte.
Der Schritt des Branchenriesen kommt überraschend, denn die meisten Unternehmen hatten im Vorfeld angekündigt, den juristischen Kampf den jeweiligen Branchenverbänden zu überlassen. Zudem stellt sich AT&T mit der Klage gegen die Federal Communications Commission, die gleichzeitig über die 49 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des Satellitenfernseh-Betreibers DirecTV durch AT&T zu befinden hat. Bei zwei vorhergehenden Klagen gegen Regulierungen zur Netzneutralität hatte sich AT&T nicht beteiligt.
Verbände: Regeln sind willkürlich, unberechenbar und gesetzeswidrig
Weder die Branchenverbände noch AT&T ließen mit ihren Klagen viel Zeit verstreichen. Der Verband der Kabelnetzbetreiber NCTA, der Telekommunikationsverband USTelecom, dem neben AT&T auch der zweitgrößte Anbieter Verizon angehört, und der Mobilfunk-Dachverband CTIA legten innerhalb von 24 Stunden nach der Veröffentlichung Klage gegen die neuen Regeln der FCC ein. Alle Klagen ähneln sich und werfen der FCC vor, ihre Regeln seien willkürlich, unberechenbar und verstießen gegen Bundesgesetze der USA. Allerdings hatten die Kläger auch genügend Zeit zur Vorbereitung: Die neuen Regeln waren von der FCC bereits Ende Februar beschlossen und am Montag nur noch offiziell verkündet worden.
Ende Februar hatte die FCC mit einer denkbar knappen Mehrheit von 3:2-Stimmen beschlossen, Breitbandanbieter zu Telekommunikations-Dienstleistern zu erklären und ab dem Sommer eine Gleichbehandlung aller Datenpakete von ihnen zu fordern. Breitband-Internetdienste sollen künftig unter einen Passus eines 1934 verabschiedeten Gesetzes fallen, das Telefondienste ähnlich wie die Wasser- und Energieversorgung zu einer Grundversorgung erklärte, für die besonders strenge Regeln gelten. Genau dagegen setzen sich die Verbände und AT&T jetzt zur Wehr: Für sie ist das Internet nicht Teil des Telekommunikations-Dienstleistungssektors und damit auch nicht Gegenstand von umfangreichen Regulierungen, wie sie die FCC jetzt vorschlägt.
Obama für striktere Regeln zur Netzneutralität
AT&T und die Verbände führen in ihren Klagen aus, sie seien nicht gegen die Netzneutralität an sich. Allerdings wehren sie sich dagegen, derart stark durch die FCC reguliert zu werden. Mit den neuen Regeln will die FCC verhindern, dass Internetprovider Datenpakete bestimmter Anbieter gegen Bezahlung schneller befördern oder die Web-Angebote der jeweiligen Konkurrenz drosseln oder sogar blockieren können. US-Präsident Barack Obama hatte im Februar nach Bekanntwerden der Pläne der FCC für den Schutz der Netzneutralität auf Twitter geschrieben: "Großartige Neuigkeiten: Heute hat die FCC für ein freies und offenes Internet gestimmt." Der republikanische Abgeordnete Doug Collins warnte dagegen am Montag davor, dass die Regulierung unerwünschte Folgen wie langsame Internetverbindungen und höhere Kosten für die Verbraucher haben werde.
Die Klagen wurden bei einem Gericht in Bundesdistrikt Columbia der Hauptstadt Washington eingereicht. Sie werden mit allen weiteren in den nächsten zehn Tagen eventuell eintrudelnden Klageschriften in einer Klage zusammengeführt. Sollten weitere Klagen in anderen Gerichtsbezirken eingereicht werden, wird per Los entschieden, wo über die Klagen verhandelt wird.
In den USA gilt eigentlich seit der Gründung der Commercial Internet Exchange in den frühen 1990er Jahren das Prinzip der Netzneutralität. Im letzten Jahr entschied ein US-Gericht jedoch, dass die FCC die Netzneutralität nicht durchsetzen darf, weil sie bis dahin Breitbandanbieter als Informationsanbieter eingestuft hatte. Mit der Neueinstufung als Telekom-Dienstleister hatte die FCC im Februar die Grundlage geschaffen, um stärker regulierend in Fragen der Netzneutralität eingreifen zu können.
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April 15, 2015 05:54 ET (09:54 GMT)
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