
Von Florian Faust
FRANKFURT (Dow Jones)--Die lange Zeit "bullische" Stimmung für deutsche Staatsanleihen hat sich massiv gedreht. Es findet ein regelrechter Ausverkauf am Rentenmarkt statt, der keineswegs auf deutsche Titel beschränkt ist. Händler sprechen von einem globalen Trend.
Noch liefern deutsche Staatspapiere mit Laufzeiten zwischen einem und fünf Jahren negative Renditen, doch sieben- und achtjährige Titel rentieren bereits wieder im positiven Bereich. Vor allem die Rendite der als Richtschnur geltenden zehnjährigen Bundesanleihen klettert: Am Donnerstag steht sie bei 0,33 Prozent nach einem Jahrestief hauchdünn über null.
Der Junikontrakt auf den Bund ist am Vortag um rund 160 Ticks eingebrochen - der höchste Absturz des Bund-Futures seit über 18 Monaten. Das Handelsvolumen stieg auf 1,15 Millionen gehandelte Kontrakte und damit auf das höchste Niveau seit Anfang März.
Die außergewöhnliche Kursbewegung veranschauliche die signifikante Veränderung der Investorenstimmung, sagt Rentenstratege Christoph Kutt von der DZ Bank. Allerdings "ist es nicht wirklich treffend, von einem Flash Crash zu sprechen". Die hohen Umsätze hätten über den ganzen Tag verteilt stattgefunden. Zudem dürfte die sinkende Liquidität an den Anleihenmärkten eine Rolle spielen. Denn zum einen kauft die Europäische Zentralbank (EZB) den Markt leer. Zum anderen trocknet die Liquidität am Rentenmarkt durch die engeren Handelslimits der Banken weiter aus.
Wie sehr gerade Bundesanleihen derzeit in der Wertschätzung der Anleger sinken, zeigt auch die Entwicklung am Primärmarkt. Hatten Investoren in der Hochzeit der Rentenrally neu aufgelegte Papiere der Bundesfinanzagentur noch aus den Händen gerissen, blieb eine Auktion fünfjähriger Bundesobligationen am Mittwoch unterzeichnet. Die Summe der Gebote erreichte nicht das angepeilte Platzierungsvolumen. "Sich wiederholende schwache Emissionen könnten als Zeichen eines Umdenkens unter Investoren verstanden werden", urteilte die Citigroup.
Neben einer offenbar abnehmenden Sorge über die Risiken eines möglichen "Grexits" treibt vor allem die Furcht einer anziehenden Inflation die Anleger aus dem Rentenmarkt. Geldentwertung ist per se die größte Bedrohung für festverzinsliche Wertpapiere. "Der Markt hat Angst, dass der höher als erwartet ausgefallene Anstieg der deutschen Inflationsrate symptomatisch für Europa ist", sagt ein Rentenhändler. Das "Schreckgespenst Deflation" könnte daher früher als erwartet verschwinden. "Damit entfällt natürlich auch der Grund für das Wertpapierkaufprogramm der EZB; es könnte schneller als erwartet zu Ende sein", so der Händler weiter. Denn die Käufe der EZB am Rentenmarkt waren ein Treiber der vorangegangenen Rally.
Den Startschuss für die Rententalfahrt zumindest in Europa lieferte der Inflationstrend in Deutschland, der wieder nach oben zeigt. Im April stieg die jährliche Inflationsrate auf 0,4 Prozent. Damit setzte sich der Trend der Vormonate fort: Im März war die Inflationsrate auf 0,3 Prozent geklettert und im Februar auf 0,1 Prozent. Im Januar hatte es noch eine Deflation von 0,4 Prozent gegeben.
Einen ähnlichen Trend lässt sich in der Eurozone beobachten. Denn auch hier ist der Preisverfall im April zum Stillstand gekommen. Die jährliche Inflationsrate lag bei 0 Prozent. Seit dem Preisrückgang von 0,6 Prozent im Januar hat sie sich schrittweise aus dem Minusbereich herausbewegt. Die Gefahr einer Deflation scheint damit vorerst gebannt zu sein. "Die Erholung der Energiepreise in den vergangenen Wochen dürfte dazu beitragen, dass die Inflationsrate im April wohl zum ersten Mal seit November nicht mehr negativ sein wird", mutmaßten die Rentenexperten der Commerzbank bereits im Vorfeld der Datenveröffentlichung und lagen richtig.
Neben der anziehenden Inflation gibt es in der Eurozone aber weitere Belege für einen Wirtschaftsaufschwung und damit Argumente zum Verkauf von Anleihen. Die Geldmenge steigt und auch das Kreditvolumen legt zu, wie die EZB am Mittwoch berichtete. "Trotz des Rückgangs im April rangieren Geschäfts- und Verbraucherklima der Eurozone noch immer über ihren langfristigen Normalwerten. Sie bewegen sich auf Ständen, die das Wachstum ankurbeln sollten", heißt es bei Capital Economics.
Da wundert es nicht, dass sich Rentenlegenden vom Schlage eines Bill Gross von deutschen Staatsanleihen abwenden. Der US-Fondsverwalter setzt auf fallende Notierungen bei Bundesanleihen. Mit seiner Meinung ist er nicht allein, auch andere US-Investoren scheinen seinem Beispiel zu folgen.
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April 30, 2015 07:07 ET (11:07 GMT)
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