Von Andreas Kißler
DRESDEN (Dow Jones)--Die sieben führenden Industrieländer (G7) haben nach Auskunft von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kontrovers mit Ökonomen über den richtigen Weg für die Weltwirtschaft diskutiert. "Die sechs Wissenschaftler, die wir gebeten haben, ... waren hinreichend kontrovers, dass wir viele Anregungen bekommen haben, die unsere Arbeiten ein Stück weit mit beeinflussen werden", sagte Schäuble zu Journalisten beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Dresden. Sie diskutierten dort bei einem Symposium mit führenden Ökonomen darüber, wie nach der Finanzkrise eine "dynamische Weltwirtschaft" erreicht werden kann.
Die Debatte, zu der erstmals bei einer solchen Veranstaltung eingeladen wurde, habe sich als "ein sehr gelungenes Experiment herausgestellt", meinte der Gastgeber Schäuble.
Schäuble sieht gute Grundlage für weitere Beratungen
Über einzelne Länder wurde nach seinen Angaben allerdings nicht vertieft gesprochen. Vielmehr habe sich die Debatte über grundlegende Fragen gedreht, "die die internationale Debatte nicht nur in der Politik, sondern in der Wissenschaft beschäftigen". Es ging laut Schäuble um die Frage, "was können finanzpolitische und geldpolitische Mittel dazu beitragen, nachhaltiges Wachstum zu machen", und was "die Probleme des eher geringen Wachstums, des geringen Zinsniveaus, der geringen Inflationsrate" an Veränderungen aussagten. Schäuble sah in der Debatte "eine gute Grundlage" für die weiteren Beratungen des bis Freitag dauernden Finanzgipfels.
Schäuble hatte vor dem Treffen in Dresden angekündigt, dort für eine Finanz- und Wirtschaftspolitik nach deutschem Vorbild werben zu wollen. Die Bundesregierung hat schon gewarnt, dass die ultralockeren Zinsen auf Dauer nicht das richtige Rezept sind. Schäuble wollte "für eine klare Abkehr von hohen Staatsschulden bei gleichzeitigen Reformen und einer auf Zukunftsbereiche ausgelegten Ausgabenpolitik" eintreten.
Richtiger Weg zu nachhaltigem Wachstum ist umstritten
Unter den Volkswirten, die Schäuble in die sächsische Hauptstadt eingeladen hat, befinden sich der Nobelpreisträger Robert Shiller, der frühere US-Finanzminister Larry Summers, der ehemalige IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff und der Leiter der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Jaime Caruana.
Einige von ihnen haben sich bereits im Vorfeld der Dresdner Tagung geäußert. So warnte der Yale-Professor Shiller, der am Dienstagabend bereits im Bundesfinanzministerium über das Thema diskutierte, vor der Gefahr ökonomischer Blasen und forderte Zinserhöhungen in den USA, und Rogoff sprach sich für den Verzicht auf Bargeld als Mittel zur Bekämpfung der Krise aus.
Unter den sieben Ländern - neben Deutschland sind dies Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA - gehen die Meinungen darüber auseinander, ob vor allem eine mangelnde Nachfrage mehr Wachstumsschwung verhindert, oder ob der Grund dafür in erster Linie in den zu hohen Schuldenständen zu suchen ist. Auch bei den Ökonomen ist dies umstritten. Einige von ihnen fordern, wie auch besonders die USA, von Deutschland eine Wirtschaftsankurbelung durch Ausgabenprogramme.
Sinn fordert von G7 Handelsliberalisierung
Der Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, erteilte solchen Forderungen allerdings am Donnerstag eine Absage. Gehe es nicht um Wachstum, sondern bloß um eine bessere Auslastung der Produktionskapazität, und begnüge man sich mit Strohfeuern, "kann man auch neue schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme auflegen", erklärte er. Tatsächlich seien aber eine weiter gehende Liberalisierung des Handels und Maßnahmen gegen Marktspekulationen nötig.
"Um die Weltwirtschaft zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zu führen, bedarf es vor allem weiterer Schritte zur Handelsliberalisierung sowie zur besseren Regulierung des Finanzsystems", sagte Sinn, der an dem Treffen nicht teilnahm, zu Dow Jones Newswires. "Die Regulierung sollte versuchen, eine erneute Blasenbildung zu verhindern und ein De-Leveraging der Finanzinstitute einzuleiten."
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May 28, 2015 08:08 ET (12:08 GMT)
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