5. August 2015. Aus der erwarteten Schwächeperiode gegenüber dem US-Dollar im Zuge der anstehenden Zinswende in den USA kann die Gemeinschaftswährung nach Ansicht von Analysten gestärkt hervorgehen.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. So könnte man den Kompromiss zwischen Gläubigern und der griechischen Regierung nach Meinung vieler Analysten zusammenfassen.
"Der Grexit ist nicht komplett vom Tisch", denkt Sintje Boie. Auf kurze Sicht wird es nach Auffassung der HSH Nordbank-Analystin zwar zu einem dritten Hilfspaket kommen. Allerdings gestalte sich die Umsetzung der geforderten Maßnahmen für Athen aller Voraussicht nach ausgesprochen schwierig. Schon jetzt schwinde die Zustimmung in der Bevölkerung und Tsipras kämpfe ums politische Überleben. Zudem seien die Geldgeber derzeit kaum zu einer umfangreichen Schuldenerleichterung bereit. "Erste Erkenntnisse zu den Fortschritten im Land wird das Review im Herbst liefern."
Der von der HSH Nordbank unter jetzigen Voraussetzungen früher oder später erwartete Austritt Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft wird den Euro laut Boie nur kurzzeitig treffen. "Der zeitliche Horizont für einen Grexit ist zwar schwer festzumachen, die wirtschaftlichen Folgen für die Eurozone wären aber überschaubar", begründet die Analystin. Auf Vierwochensicht hat der Euro gegenüber dem US-Dollar jedenfalls etwas an Kraft verloren und notiert derzeit um 1,08 US-Dollar.
Notenbanken bestimmen die Richtung
Wie sich der Euro zum Dollar in den kommenden Monaten verhalten wird, hänge zudem wesentlich von der Geldpolitik der Federal Reserve ab. Zinsanhebungen in den USA würden dem Greenback zunächst Auftrieb geben. Die Commerzbank geht von einer ersten Erhöhung im September aus. "Damit hätte US-Notenbankchefin Yellen die Chance, diese Maßnahme in der quartalsweise stattfindenden Pressekonferenz ausführlich zu erklären", beschreibt Chris-Oliver Schickentanz. Dabei könne sie dann auch den weiteren Zinspfad abstecken, wobei längere Zinspausen wahrscheinlich seien.
Boie rechnet mit kleineren Dollar-stärkenden Anpassungen nach oben. "Längerfristig wird die Gemeinschaftswährung aufgrund von Nachholbedarf aber höhere Niveaus anstreben." Mitte 2016 sieht die Devisenanalystin den Euro um 1,10 US-Dollar.
Carry-Trades stützen Euro
Das Euro-Abwärtspotenzial würde nach unten durch Marktaktivitäten wie Carry Trades begrenzt. Auf Sicht von drei bis fünf Jahren wird die Begleichung von in Euro aufgenommenen Krediten nach Meinung von Analysten die Gemeinschaftswährung stützen. Viele ausländische Unternehmen emittierten seit geraumer Zeit günstige Euro-Anleihen. Die eingesammelten Mittel würden in Folge gegen die Heimatwährung umgetauscht und müssten bei Fälligkeit in der Anleihe-Währung zurückgezahlt werden. Dieser Mechanismus würde die Euro-Nachfrage beflügeln. Umgekehrt sei dies nach 2009 mit US-Dollar-Anleihen geschehen.
Carry Trades sind Wertpapiergeschäfte, bei denen Geld in Währung mit niedrigen Zinsen aufgenommen und in Währungen mit höheren Zinsen angelegt wird, um Arbitrage-Gewinne zu erzielen. "Brexit"-Abstimmung sorgt für Bewegung
Das britische Pfund hat zum Euro in den vergangenen vier Wochen an Kraft gewonnen. Ein Euro kostet derzeit etwa 0,70 Pfund Sterling. "Die Wirtschaft läuft rund, im zweiten Quartal hat das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent zugelegt", erklärt Boie die aus ihrer Sicht nachhaltige Bewegung. Nun erwäge Notenbankchef Mark Carney eine früher als bislang geplante erste Zinserhöhung. Allerdings stehe Mitte kommenden Jahres die Abstimmung über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union zur Abstimmung. "Unabhängig vom Ausgang wird das die Märkte verunsichern." Boie prognostiziert im Vorfeld des Urnengangs Abwertungsdruck für das Pfund.
Durststrecke für norwegische Krone
Ungeachtet seiner Schwäche hat der Euro gegenüber Rohstoffwährungen wie der norwegischen Krone (NOK) in den vergangenen Monaten an Gewicht gewonnen. Ein Euro kostet aktuell rund 9,0 NOK. "Die Erholung des Rohölpreises ist verebbt, die positiven Impulse für die Krone sind ausgelaufen", begründet Christian Apelt von der Helaba. Zudem senke die norwegische Zentralbank ihren Leitzins und bleibe damit vorerst auf expansivem Kurs. In ihrer Rolle als sicherer Hafen sei die Krone derzeit kaum gefragt. Stattdessen rückten die Einbrüche bei den Ölpreisen verstärkt in den Vordergrund. Ein niedriger Ölpreis schwäche die Konjunktur, weil sich Investitionen im Ölsektor damit kaum noch lohnten.
Apelt erwartet für den Rest des Jahres zwar kaum Veränderung im Verhältnis zum Euro. "Erst langfristig wird die Krone angesichts der Haushalts- und Leistungsbilanzüberschüsse Norwegens spürbar zulegen können." 2016 winken dem Helaba-Analysten zufolge wieder Kurse um 8,50 NOK zum Euro.
von Iris Merker, Deutsche Börse AG
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© 5. August 2015
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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