Von Andreas Kißler und Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Die Debatte über ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland gewinnt in Deutschland weiter an Fahrt. Nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok sollen die Geldgeber im Falle eines "Ja" der Bevölkerung zu den Reformen und eines Rücktritts der linksgeführten Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras mit einer neuen griechischen Führung über weitere Hilfen sprechen.
"Ja, wir sollten Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm starten", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments im Nachrichtensender Phoenix. "Wenn es ein klares 'Ja' zu Europa gibt, kann man mit einer neuen Regierung Verhandlungen führen." Die Zahlung der Gelder an den Internationalen Währungsfonds könne "ein bisschen verschoben werden, ... aber dazu muss jetzt Klarheit in Griechenland geschaffen werden". In Tsipras bestehe hingegen bei der EU-Kommission und den meisten Regierungen kein Vertrauen mehr.
Brok räumte den Griechen eine Flexibilität bei den Bedingungen für mögliche weitere Hilfen ein. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe klar gemacht, dass das Land die Reformen "unter'm Strich richtig haben" müsse. Aber man könne dies auf unterschiedliche Weise erbringen. Da gebe es viel Spielraum.
Brok fordert Reform der Staats- und Finanzverwaltung
Das Bundesvorstandsmitglied der CDU mahnte an, Athen müsse im Gegenzug für eventuelle Hilfen "wirklich an die Reform der griechischen Staatsverwaltung" und Finanzverwaltung herangehen und im Land entscheidungsfähige Institutionen schaffen, die besonders die mittelständische Wirtschaft und Gründer nicht länger behinderten. Die Griechen müssten "aus diesem Joch einer Fehlentwicklung der öffentlichen Verwaltung herauskommen".
Die Unions-Fraktionen reagierten am Dienstag zunächst zwar zurückhaltend auf diese Diskussion und wollten das Referendum abwarten. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte, er wolle derzeit nicht über ein drittes Hilfspaket spekulieren. Das sei derzeit kein Thema für ihn, denn man müsse erst einmal abwarten, wie das Referendum ausgehe, und wie die Regierung dann entscheide. Tsipras habe ja gesagt, dass er gar kein drittes Paket wolle.
Der Jurist verwies noch einmal auf das Prozedere: Neue Hilfe käme über den ESM-Vertrag und nicht mehr nach dem Regime des früheren Rettungsfonds EFSF, betonte Grosse-Brömer. Demnach müsste Griechenland einen Antrag auf Hilfe stellen, und der Bundestag müsste diesem Antrag zunächst zustimmen und damit der Bundesregierung den Auftrag erteilen, über ein drittes Paket zu verhandeln. Über das Verhandlungsergebnis müsste ein zweites Mal der Bundestag abstimmen.
Zuspitzung vom Wochenende treibt die Debatte
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gab sich ebenfalls abwartend. "Ein drittes Hilfspaket steht nicht zur Debatte," sagte sie. Die griechische Regierung habe ja gesagt, dass sie kein drittes Hilfspaket wolle.
Schon am Montag hatte die Zuspitzung der Griechenland-Krise bei den Regierungsparteien jedoch die Debatte über ein drittes Hilfspaket befeuert. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte erklärt, die Volksabstimmung am Sonntag gehe hoffentlich zugunsten des Euro aus, und gleichzeitig Gesprächsbereitschaft signalisiert: "Die Tür bleibt jedenfalls offen für Gespräche mit Griechenland für ein drittes Hilfsprogramm."
Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte jedoch deutlich gemacht, dass ein eventuelles drittes Paket nicht leicht zu stemmen sein würde. Das Programm müsse nach den ESM-Regeln verhandelt werden, hatte auch er erklärt. "Das ist ein ganz anderes Regime als bisher." Nach dem Ergebnis der Volksbefragung müsse abgewartet werden, was sich Griechenland vorstelle.
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June 30, 2015 06:39 ET (10:39 GMT)
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