Ende gut alles gut? Denken die Anleger in der neuen Woche an Griechenland, dürften sie wohl den deutschen Aktienmarkt weiterhin durch die rosarote Brille betrachten. Denn das Athener Schuldendrama steuert auf seinen Höhepunkt zu und ein Happy End scheint derzeit wahrscheinlich: Nach der Vorlage seiner Reformliste sucht der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Eilverfahren die Zustimmung des Parlaments, so dass eine Einigung mit den Gläubigern näher rückt.
"In der aktuellen Börsenphase werden die Mutigen belohnt",
schrieb Marktstrategin Sarah Brylewski vom Handelshaus Ayondo. Sie
sollten Kursrückgänge beim Dax
CHANCE AUF EINIGUNG IST GESTIEGEN
An der Börse herrscht derzeit Optimismus vor, weil das Athener Schreiben in vielen Punkten dem letzten Angebot der Geldgeber entspricht. Es wird nun von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds geprüft. Am Samstag sollen die EU-Finanzminister, am Sonntag die Staats- und Regierungschefs der Euro- und der EU-Staaten in Brüssel über das Reformpaket und neue Finanzhilfen beraten.
Bis zu einer Einigung seien allerdings noch einige Hürden zu nehmen, mahnte Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank zur Vorsicht. So könnten die Geldgeber angesichts der zuletzt deutlich ungünstigeren wirtschaftlichen Lage in Griechenland und der deshalb größeren Fehlbeträge im Haushalt zusätzliche Sparanstrengungen fordern. Auch die Frage einer Verringerung der griechischen Schuldenlast sei noch zu klären. Schließlich müssen noch die Parlamente - sowohl in Griechenland als auch in anderen Euro-Ländern - diesen Vereinbarungen zustimmen. Aber zumindest sei die Chance auf eine Einigung wieder gestiegen.
ANHÖRUNG VON FED-CHEFIN YELLEN AM MITTWOCH
Sollten allerdings die Verhandlungen am Sonntag doch noch scheitern, wäre dies für die Anleger ein Schlag ins Kontor: "Ohne eine Einigung auf ein neues Rettungspaket dürfte Griechenland bald aus der Währungsunion ausscheiden", meinte Commerzbank-Analyst Solveen. Viele Investoren würden dann mit Sorge auf Portugal und Spanien blicken. Denn dort könnte es bei den anstehenden Parlamentswahlen eine Machtverschiebung nach links geben.
Doch auch ohne Griechenland verspricht die neue Handelswoche reichlich Zündstoff. Schließlich ist immer noch unklar, ob und wann die Notenbank der USA wieder den Leitzins erhöht. Damit sei insbesondere die halbjährliche Anhörung von Notenbankpräsidentin Janet Yellen vor dem US-Kongress am Mittwoch von Interesse, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba. Im Raum stehe die Frage, ob Yellen auf die Befindlichkeiten in Europa und China eingehen werde, um die Zinswende noch nach hinten zu schieben. Windt rechnet immer noch mit einem ersten Zinsschritt im dritten Quartal.
KONJUNKTURDATEN AUS CHINA UND DEN USA
Darüber hinaus stehen auch Konjunkturdaten auf der Agenda. Von besonderer Bedeutung für den Aktienmarkt dürften dabei die US-Einzelhandelsumsätze am Dienstag und die US-Verbraucherpreise am Freitag sein. Beide Kennziffern beziehen sich auf den Juni. Bereits zur Wochenmitte werden Daten zum Wirtschaftswachstum und zur Industrieproduktion in China präsentiert. Sie werden Windt zufolge wohl dahingehend abgeklopft, ob sie Hinweise auf weitere mögliche Maßnahmen der Regierung zur Stützung der Konjunktur oder der Aktienmärkte liefern.
Damit dürften die Kurse hierzulande auch in der neuen Woche weiter stark schwanken, vermutete die Analystin. Hinzu kommt, dass - zumindest in den USA - die Berichtssaison der Unternehmen in der neuen Woche zu Hochtouren aufläuft. So werden von Dienstag bis Donnerstag eine Reihe von US-Banken ihre Quartalszahlen veröffentlichen. Das dürfte auch die hiesigen Finanzwerte bewegen.
ZWEI BÖRSENGÄNGE IM FOKUS
Spannend wird ebenfalls die Frage sein, ob die Anleger bereit sind, im aktuellen Umfeld in Börsenneulinge zu investieren. Die Deutsche Pfandbriefbank etwa, die Kernbank der mit Steuermilliarden geretteten Hypo Real Estate (HRE), hat ihre Erstnotiz für Donnerstag angepeilt. Die Zeichnungsfrist endet am Mittwoch. Am Freitag dann wagt die German Startups Group voraussichtlich den Sprung an die Börse. Der Internet-Finanzierer will rund 60 Millionen Euro einsammeln./la/fat/stb
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---
ISIN DE0008469008
AXC0179 2015-07-10/16:12