Im Frühjahr sprach man an den Finanzmärkten von der Wiedergeburt der Inflation, auch, weil sich die Konjunkturperspektiven ausgerechnet im früheren Krisengebiet der Eurozone festigten. Amerika und Asien galten ohnehin als wirtschaftliche Selbstläufer. Ja, die Deflation schien besiegt zu sein. Schon wurden neben den USA selbst in der Eurozone Stimmen laut, der Anfang vom Ende der geldpolitischen Happy Hour könnte kurz bevorstehen.
Doch beim aktuellen Blick auf die Rohstoffe insgesamt spricht nichts, aber auch gar nichts für Inflation. Denn seit Juli 2014 fallen die Rohstoffpreise im Vorjahresvergleich jeden Monat. Heutzutage mag die Bindung von Rohstoffpreisen und der Inflation zwar nicht mehr so innig sein wie bei einer Liebesbeziehung, doch eine Vernunftehe ist es immer noch: Der Einfluss von Rohstoffen auf die Inflationserwartungen sowohl in den USA als auch in Europa ist erkennbar und zurzeit klar negativ.
Es gibt keine Ölkrisen mehr
Spätestens beim Tanken merkt es jeder: Der Ölpreis wird politisch und technisch unter Druck gesetzt. Zunächst darf der Iran mit seinen großen Ölreserven allmählich wieder an den Energiemärkten mitspielen. In diesem Zusammenhang kommt aber der gewaltigste Preisdruck aus Saudi-Arabien. Denn damit das Land seine Marktanteile in Europa und Asien gegenüber dem Iran halten kann, werfen die Saudis so viel Öl auf den Markt wie die Modeindustrie Klamotten beim Sommerschlussverkauf. Dass die Weltwirtschaft derzeit regelrecht in Öl baden kann, macht sich bereits in einer schweren Sommerdepression an den Terminmärkten bemerkbar. Ohnehin gibt es da noch einen großen "Öl-Put", sozusagen eine Versicherung gegen steigende Ölpreise: Bei spätestens 70 US-Dollar für konventionelles Öl wird die alternative Förderung von Fracking-Öl attraktiv. Insgesamt sind wir damit von einer dramatischen Ölpreiswende nach oben oder sogar - nach 1973 und 1979 - einer dritten Ölkrise weit entfernt wie Pluto von der Erde.
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