FRANKFURT (Dow Jones)--Die ersten Weichen für den Kurs von DAX & Co in Richtung Jahresende könnten in der kommenden Woche gestellt werden. Denn nach dem großen US-Arbeitsmarktbericht fallen die Märkte zunächst in ein kleines Datenloch. Mit einer Zinserhöhung in diesem Jahr hat man sich mehr oder weniger abgefunden. Händler stellen sich zuweilen eher die Frage, ob Notenbank-Chefin Yellen nicht Angst vor der eigenen Courage und der der Marktteilnehmer bekommen hat. Denn egal wann die erste Zinserhöhung seit über neun Jahren kommt, sie wird unweigerlich für einige Händler zugleich zur ersten in ihrer Börsenkarriere werden.
Allerdings ist mittlerweile die Sorge größer, dass ein Zinsschritt eher schon zu spät kommen wird. "Yellen hätte auch schon vor einem halben Jahr erhöhen können", sagte ein Analyst im Wochenverlauf. Mit jeder unterlassenen Gelegenheit zur Zinserhöhung steige die Gefahr, dass sie zu spät zum Ende des Wirtschaftszyklus komme und damit zur Belastung werde. Die negative Marktreaktion auf die Untätigkeit der US-Notenbank-Chefin bei der September-Sitzung spiegelte bereits das Entsetzen des Marktes darüber. Denn höhere Zinsen werden mittlerweile gleichgesetzt mit Zuversicht in die konjunkturelle Entwicklung. Je eher ein Zinsschritt nun erfolgen wird, desto positiver dürften dies die Marktakteure werten. Deutlich wurde dies in der Marktreaktion auf die unterlassene September-Erhöhung: Sie nährte Wachstumsängste um China und die Weltwirtschaft und schürte Misstrauen, dass die Fed womöglich mehr über die Konjunktur wissen könnte als der Rest des Marktes. Entsprechend stürzte der DAX im Tief seit der letzten Fed-Sitzung von rund 10.200 auf fast 9.300 Punkte ab.
Der Kursrutsch seit der unterlassenen Zinserhöhung könnte nun jedoch zum Nährboden für einen neuerlichen Kursanstieg werden. Denn damit hat sich die Lücke zwischen Konjunkturdaten und Aktiennotierungen wieder geschlossen. "Die zeitweilig völlig überzogene Bewertung hat sich inzwischen sichtbar abgebaut", unterstreicht Markus Reinwand von der Helaba. Auf Basis der gängigsten Kennziffern wie Kurs-Gewinn- und Kurs-Cashflow-Verhältnis sowie Dividendenrendite seien deutsche Standardwerte nun fair bewertet.
Eine sofortige Kursrally muss damit aber noch nicht losgetreten werden. Denn kommende Woche beginnt auch die Berichtssaison in den USA mit den Zahlen von Alcoa. Üblicherweise warten institutionelle Anleger ein Drittel der Zahlen ab, bevor sie Hochrechnungen über den Erfolg der gesamten Branche anstellen.
Zudem betont Reinwand, dass die Gefahr eines Überschießens nach unten noch nicht gebannt sei. Denn in einem Bärenmarkt fielen die Kurse nicht nur auf ihren fairen Wert zurück, sondern übertrieben meist nach unten. Gegenüber dem Jahreshoch habe der DAX in der Spitze 24 Prozent verloren. In den Bärenmärkten seit 1960 hätten die Verluste des DAX im Mittel aber bei 41 Prozent gelegen. In Jahren, in denen es dagegen nicht zu einer Rezession gekommen war, lag der Verlust im Schnitt bei 37 Prozent, allerdings war nach vier Minusmonaten bereits der Boden erreicht. Würde der DAX erneut diesem Muster folgen, gebe es zwar noch ein Abwärtsrisiko bis in den Bereich um 7.500 Punkte. Die Chancen auf eine mittelfristig deutliche Erholung wären dann aber gut.
Auch das Thema VW als Belastung für die Autowerte und damit den DAX dürfte am Ende sein. Denn die Mehrheit der Analysten (61 Prozent) hat ihre Gewinn- und Kursprognosen für den DAX infolge des VW-Skandals nur leicht angepasst. Dies zeigt die aktuelle Umfrage des Branchenverbands der Investment Professionals, DVFA. Eine größere Anpassung haben 24 Prozent vorgenommen, rund 15 Prozent aber überhaupt keine. Den Einfluss der Entwicklungen rund um VW auf die Branche, im Sinne eines schlechteren Images oder schwächerer Absatzentwicklung, halten die Experten für moderat. Insgesamt 83 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass keine oder nur kurzfristige negative Folgen drohen.
Überraschungen könnten kommende Woche eher von ungewohnter Seite kommen - aus Japan. Denn bei der Sitzung der Bank of Japan rechnen einige Marktteilnehmer bereits mit vorgezogenen neuen geldpolitischen Lockerungen. Der Konsens sieht bislang noch Ende Oktober als ersten Termin dafür an. Die Analysten von Goldman Sachs weisen darauf hin, dass eine Ausdehnung der Wertpapierkäufe durchaus möglich sei. Die Notenbank könnte dann nicht nur Anleihen, sondern auch noch mehr Aktien über börsengehandelte Fonds wie ETFs aufkaufen. Sollte der Nikkei-Index darauf positiv reagieren, könnte dies auch Europa weiteren Auftrieb geben.
Von der Sitzung der Europäischen Zentralbank am Mittwoch erwarten Analysten indes nichts. Hier geht es nicht um geldpolitische Entscheidungen. Daneben legen die EZB, die Bank of England und die US-Notenbank am Donnerstag die Protokolle ihrer letzten Notenbanksitzungen vor. Hier werden Händler wie üblich auf besonders deutliche Aussagen und das Abstimmungsverhalten achten.
Und auch die Konjunkturdaten der kommenden Woche sollten nicht aus dem Blick geraten. So steht mit dem ISM-Index für den US-Service-Bereich am Montag einer der wichtigsten Indikatoren für die US-Wirtschaft an. Schließlich ist die Rolle des Dienstleistungssektors als Arbeitgeber weitaus größer als die der Industrie. Zudem steht die zweite Veröffentlichung der Einkaufsmanager-Indizes von Europa bis zu den USA an. Größere Revisionen waren hier schon immer für Überraschungen und damit Kursbewegungen gut.
Auch die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sollte im Auge behalten werden. Von dort waren schon oft richtungweisende Prognosen oder Warnungen über den Zustand der Weltwirtschaft zu hören. Klare Aussagen zur Zukunft der Wirtschaft in der Eurozone könnten zudem von der gemeinsamen Konjunkturprognose durch die Forschungsinstitute ifo, Insee und Istat kommen.
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October 02, 2015 07:32 ET (11:32 GMT)
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