Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--In der Regierungskoalition bahnt sich ein Streit über die Verwendung der für das Betreuungsgeld geplanten Mittel an. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das entsprechende Gesetz gekippt hat, gehen die Meinungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) darüber offenbar auseinander. Die SPD-Politikerin besteht darauf, dass die nun frei werdenden Mittel auch künftig Kindern und Familien zugute kommen sollen. Das Finanzministerium hält dagegen und will sich nicht auf diese Verwendung festlegen.
Derzeit liefen Gespräche mit dem Ziel, "dass wir bis zum Herbst zu einer Einigung kommen", sagte Ministeriumssprecherin Friederike von Tiesenhausen bei einer Pressekonferenz. "Diese Gespräche laufen aber noch - die sind nicht abgeschlossen." Die Sprecherin hob aber hervor, der kurzfristige Nettoeffekt sei begrenzt, weil bereits zugesagte Mittel noch weiterliefen. Außerdem sei für das Elterngeld, das eine "beliebte Familienleistung" sei, in den nächsten Jahren mit außerplanmäßigen Ausgaben zu rechnen.
Zuvor hatte die Süddeutsche Zeitung geschrieben, Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) habe bei der Haushaltsklausur der großen Koalition angekündigt, mit den Mitteln "ungeplante Mehrausgaben" beim Elterngeld und für Hartz IV zu finanzieren. Mit den Geldern würden also Haushaltslöcher gestopft.
Schwesig will aber verhindern, dass die Mittel in den allgemeinen Haushalt fließen. Die Familienministerin habe klar gemacht: "Das Geld muss den Familien und Kindern zugute kommen", sagte ihre Sprecherin Anna-Lena Guillaume bei derselben Pressekonferenz. "Letztlich wird die Entscheidung gemeinsam getroffen", meinte sie.
Andere SPD-Politiker stützten Schwesigs Haltung. "Bundesfinanzminister Schäuble bleibt auf dem familienpolitischen Auge blind", erklärte der familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix. "Er will die bisher für das Betreuungsgeld geplanten Mittel einfach im Bundeshaushalt versickern lassen."
Damit stellt sich der Finanzminister auch gegen Forderungen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und von Ökonomen. "Das Einbehalten des Geldes ist nicht zu akzeptieren", kritisierte der Sprecher der SPD-Linken, Matthias Miersch, in der Berliner Zeitung.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) erklärte, mit den Mitteln Haushaltslöcher zu stopfen, mache "ökonomisch wenig Sinn". Der Bund sollte nach dem Vorschlag des arbeitgebernahen Institutes die jetzt frei werdenden Finanzmittel nutzen, um die frühkindliche Förderung und die Zahl der Ganztagsplätze in Kitas und Schulen zu verbessern - "denn der Bedarf ist um einiges größer als das Angebot".
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September 02, 2015 09:47 ET (13:47 GMT)
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