Von Christian Grimm und Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Nach dem höchstrichterlichen Aus für das Betreuungsgeld wird der Streit um die frei werdende Milliarde in den Reihen der Großen Koalition offen geführt. Die SPD will das Geld gerne zum Ausbau von Kindergärten ausgeben, während die Union die Summe lieber nicht fest verplanen will.
"Es gibt einen enormen Nachholbedarf beim Kita-Ausbau", sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider am Dienstag bei der ersten Debatte über den Haushalt 2016. Er verlangte daher, die direkten Geldtransfers vom Bund an die Kommunen zu stärken. Die ab 2018 frei werdende Milliarde könne dafür genutzt werden.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die als Herdprämie verspottete Sozialleistung mit sofortiger Wirkung einkassiert, die Familien genießen aber Vertrauensschutz. Das heißt, wer das Geld einmal bezieht, bekommt es für die volle Dauer von knapp zwei Jahren ausgezahlt. Daher wird erst ab 2018 die bisher dafür verwendete Milliarde frei.
Die CDU will sich anders als die Genossen nicht festlegen. Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus und der Haushaltsexperte Eckhard Rehberg kritisierten Schneiders Forderung. Rehberg sagte, anstatt für Kitaplätze, für die der Bund gar nicht zuständig sei, sollten die frei werdenden Mittel des Betreuungsgeldes für das Elterngeld verwendet werden.
"Ich möchte nicht erleben, dass der Bund ständig nachschießt beim Elterngeld", sagte Rehberg mit Blick auf erwartete höhere Ausgaben wegen der hohen Inanspruchnahme des Elterngeldes. "Wir sollten erst einmal etwas ausfinanzieren, bevor wir über neue Projekte reden", forderte Rehberg.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) empfahl Städten- und Gemeinden, eine bessere Kinderbetreuung aus den 3 Milliarden Euro zu finanzieren, die er ihnen kommendes Jahr zur Verfügung stellen will. Die Summe ist aber eigentlich für die Unterbringung der massenhaft nach Deutschland kommenden Flüchtlinge gedacht. "Wenn die Kommunen nun vom Bund zur Bewältigung der Flüchtlingssituation weitere Mittel erhalten werden, so kann ein Teil dieser Mittel für die Bereitstellung von zusätzlichen Kitaplätzen verwendet werden", gab sich der Finanzminister unnachgiebig.
Die Betreuungsgeld-Milliarde ist aber nicht nur Zankapfel zwischen Sozialdemokraten und CDU, sondern sorgt auch innerhalb der Union für Ärger. Die CDU will sich nicht von ihrem Prestige-Projekt verabschieden und es zumindest als Landesleistung beibehalten.
Mit dem Urteil der Karlsruher Richter ist das vereinbar, allerdings will CSU-Chef Horst Seehofer die Rechnung nicht aus eigener Tasche bezahlen. Er beharrt weiter auf die Mittel vom Bund, die er für das Betreuungsgeld bisher überwiesen bekam. Familien, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen, erhalten zwischen dem 15. und 36. Monat 150 Euro im Monat staatliche Unterstützung.
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September 08, 2015 06:22 ET (10:22 GMT)
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