
Von Ilka Kopplin
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Deutsche Post bekommt ihre Probleme mit der IT-Infrastruktur NFE in der Fracht-Sparte Global Forwarding wohl nicht mehr in den Griff. Der Bonner Konzern schätzt die Wahrscheinlichkeit, aus dem derzeitigen System positive Effekte erzielen zu können, zumindest als sehr gering ein und hat deshalb am Mittwochabend Abschreibungen und Rückstellungen gebildet. Auch die bereits nach dem zweiten Quartal gekappte Prognose ist deshalb nicht mehr zu erreichen.
Für das aktuelle Jahr geht der Konzern nur noch von einem Konzern-EBIT in Höhe von mindestens 2,4 Milliarden Euro aus. Bislang hatte die Post 2,95 bis 3,1 Milliarden Euro angepeilt. Es ist bereits die zweite Prognosesenkung in diesem Jahr. Im Sommer hatte die Post den Ausblick wegen hoher Streikkosten senken müssen. Zu Jahresbeginn war man noch von einem Korridor zwischen 3,05 und 3,2 Milliarden Euro ausgegangen.
Schon fast vergessen scheint deshalb das ursprünglich für das Jahr 2015 angestrebte Ziel von einem EBIT zwischen 3,35 und 3,55 Milliarden Euro. Das hatte die Post bereits im vergangenen Jahr unter anderem wegen weiterer hoher Investitionen in der Fracht-Sparte zurückgenommen und das Ziel schließlich um etwa ein Jahr verschoben. Im Jahr 2016, und dieses Ziel bekräftigte die Post nun auch am Mittwoch in ihrer Mitteilung, soll der operative Gewinn (EBIT) auf 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro steigen. Das Jahr 2015, so musste das Management sich schon vor Monaten eingestehen, werde ein "Jahr der Investitionen", ein "Übergangsjahr".
Das größte Problem des Konzerns zeigt sich in der Fracht-Sparte. Dort hatte die Post bereits im Jahr 2012 mit der Implementierung der neuen IT-Infrastruktur NFE begonnen, welche die Sparte deutlich effizienter und profitabler aufstellen sollte. Soweit die Idee. Allein die Umsetzung stellte sich als deutlich schwieriger heraus.
Schon im vergangenen Sommer musste das Management eingestehen, dass die globale Integration des Systems deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als ursprünglich angenommen. Weitere hohe Investitionen seien sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2015 nötig, um aber dann ab dem Jahr 2016 von der Neustrukturierung profitieren zu können. So glaubte das Management zumindest noch im vergangenen November.
Doch im Frühjahr dieses Jahres zog man in Bonn offenbar die Reißleine. Divionschef Roger Crook legte sein Amt nieder, Konzernchef Frank Appel nahm die Geschicke der Sparte interimistisch selbst in die Hand. Finanzchef Larry Rosen sagte im Mai, dass das System "einfach zu komplex" sei, um es in weitere Länder zu integrieren. Die nächsten Monate würden nun zeigen, welche Maßnahmen man ergreifen müsse, sagte er weiter. Im Sommer stellte der Manager dann bereits in Frage, ob die Post an dem System festhalten oder sich für eine Alternative entscheiden würde. Im Herbst werde sich die Post dazu äußern.
Das hat die Post am Mittwochabend getan - mit einer Gewinnwarnung. In den ersten neun Monaten seien Einmaleffekte in Höhe von 345 Millionen Euro verbucht worden. Diese bestünden aus der Abschreibung der bislang in der Bilanz angesetzten Investitionen in NFE in Höhe von 308 Millionen Euro und Rückstellungen in Höhe von 37 Millionen Euro für Ausgaben zur erwarteten Rückabwicklung des Systems in den bereits umgestellten Pilotländern, hieß es in der Meldung am Mittwoch.
Das System sei als ein integriertes System einfach zu komplex und anfällig für Fehler, sagte Finanzchef Larry Rosen am Donnerstag während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Man werde die alte IT schrittweise ablösen. Bestehende Systeme sollen mit neuen Lösungen kombiniert werden. Ob sich die Post dabei komplett von NFE verabschiedet, wird sich noch zeigen. Derzeit sei man mit diversen IT-Dienstleistern im Gespräch, auch mit dem derzeitigen Anbieter IBM. Es gebe immer noch die Chance, dass man notwendige Änderungen am derzeitigen System durchführen könne, allerdings sei das sehr unwahrscheinlich, betonte Rosen. Daher habe die Post die Abschreibungen und Rückstellungen gebildet.
Die Rückabwicklung selbst würde nur einige Monate dauern, sagte Rosen. Eine neue, weniger komplexe Lösung stünde jedoch nicht kurzfristig zu Verfügung. Bevor eine neue IT-Struktur komplett integriert sei, dauere es wahrscheinlich "ein paar Jahre", sagte der Finanzchef. Denn der Ansatz sei eher evolutionär, schrittweise würden neue Komponenten integriert, das dauere seine Zeit.
Dennoch sollen erste Ergebnisverbesserungen in der Sparte bereits im zweiten Halbjahr dieses Jahres sowie im nächsten Jahr zu sehen sein, bekräftigte Rosen frühere Aussagen. Denn unabhängig von IT-System habe das Management an vielen Prozessen gearbeitet und Veränderungen eingeführt.
Wie viel die Post über die Jahre an laufenden Kosten für NFE ausgegeben hat, wollte Rosen derweil nicht beziffern, sagte jedoch, dass das neue System niedrigere Kosten verursachen würde. "Die Cash-Belastung der neuen IT wird nicht so hoch wie beim letzten System", sagte Rosen.
Während die Abschreibungen für das IT-System nach den letzten Aussagen des Managements nicht mehr überraschend kamen, so war es jedoch die Ankündigung am Mittwoch über weitere 200 Millionen Euro für die Neubeurteilung "rechtlicher und regulatorischer Sachverhalte" in den Divisionen PeP, Express und der Fracht-Sparte Global Forwarding&Freight, die das Ergebnis in diesem Jahr belasten würden.
Dabei handle es sich um "eine Sammlung von kleineren Sachverhalten", wie Rosen erklärte. Beispielsweise sei man immer noch in rechtliche Prozesse mit Blick auf den Ausstieg des Express-Geschäfts in den USA verwickelt.
Die Belastungen von insgesamt 545 Millionen Euro, die die Post am Mittwoch mitgeteilt hatte, würden zu 80 Prozent im dritten Quartal und zu 20 Prozent im vierten Quartal verbucht, sagte Rosen. Es sei "unwahrscheinlich", dass die Post im dritten Quartal deshalb ein negatives Ergebnis verzeichnet habe.
Insgesamt sei die Post "sehr zuversichtlich", das EBIT-Ziel von 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro im nächsten Jahr zu erreichen, sagte Rosen. Dafür müsste die Post das operative Ergebnis (EBIT) also um etwa eine Milliarde Euro steigern. Im nächsten Jahr würden jedoch die hohen Streikkosten aus diesem Sommer, sowie die nun angekündigten Belastungen nicht mehr anfallen. Auch die Restrukturierungskosten in der Sparte Supply Chain sollten geringer ausfallen, sagte Rosen.
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October 29, 2015 06:23 ET (10:23 GMT)
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