Von Denise Roland
LONDON (Dow Jones)--AstraZeneca und Sanofi gehen auf der Suche nach neuen Medikamenten neue Wege. Die beiden Konzerne haben sich darauf verständigt, sich gegenseitig die Nutzung von Tausenden Substanzen aus ihren jeweiligen Substanzbibliotheken zu erlauben. Üblicherweise werden diese streng unter Verschluss gehalten. Es ist der erste Deal dieser Art unter den Großen der Branche.
Die beiden Unternehmen räumen sich jeweils den freien Zugang zu 210.000 Substanzen ein. Jede Gesellschaft kann sie ohne finanzielle Verpflichtung für die Entwicklung nutzen.
Große Pharmafirmen schauen immer öfter über den eigenen "Laborrand" hinaus nach Möglichkeiten zur Aufstockung ihrer schwindenden Produktpipelines. Üblicherweise werden Lizenzen für Arzneimittelkandidaten von Biotechunternehmen vereinbart oder diese meist kleineren Gesellschaften gleich ganz geschluckt.
Sich von Außenseitern in die Karten schauen zu lassen, ist indes ungewöhnlich. Denn die Substanzbibliotheken sind die Basis der Medikamententwicklung, ihr Aufbau kostet viel Geld. Für Mene Pangalos, Leiter der Entwicklung innovativer Arzneien bei AstraZeneca, bedeutet die Vereinbarung mit Sanofi kein Risiko. Die Londoner werden rund ein Zehntel ihrer Substanzbibliothek mit dem Pariser Wettbewerber teilen. Bei einigen Krankheiten stehen die beiden Gesellschaften in direkter Konkurrenz.
Einst galten Substanzbibliotheken als die Kronjuwelen der Pharmafirmen. Wichtiger sei allerdings das Verständnis der "Biologie", sagte Pangalos. Selbst wenn AstraZeneca und Sanofi bei der Suche nach einer neuen Arznei für die gleiche Krankheit die gleiche Ausgangssubstanz nutzten, tendiere die Wahrscheinlichkeit, dass das gleiche Medikament herauskomme, gegen Null, da sie unterschiedliche wissenschaftliche Methoden anwenden würden.
Für Steve Rees von AstraZeneca ist der Deal ein "preiswerter und schneller Weg", die eigene Sammlung an Substanzen zu diversifizieren. Die eigene Entwicklung von 210.000 neuen Substanzen würde 250 Millionen US-Dollar kosten, sie zu kaufen etwa 50 Millionen, sagte Pangalos.
Große Pharmaunternehmer greifen bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe für neue Indikationen auf ihre umfangreichen Bibliotheken zurück. Sie um fassen üblicherweise zwischen zwei und drei Millionen verschiedene Moleküle. Mitunter verläuft die Entwicklung frustrierend. Oft gibt es keine passende Substanz, und selbst wenn es eine gibt, sind die Chancen, dass am Ende ein neues Medikamenten das Labor verlässt, gering.
AstraZeneca ist auch in der Vergangenheit schon ähnliche Deals wie jenen mit Sanofi eingegangen, allerdings mit kleineren Unternehmen und für weniger Substanzen. Unter anderen gibt es eine solche Vereinbarung mit der Bayer AG.
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November 20, 2015 06:16 ET (11:16 GMT)
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