Von Steffen Gosenheimer, Wallace Witkowski und Mark DeCambre
NEW YORK (Dow Jones)--Die längste Gewinnstrecke des Dow-Jones-Index seit 1999 ist 2015 zu Ende gegangen. Nachdem der weltweit bekannteste Börsenindex von 2009 bis inklusive 2014 sechs Jahre in Folge zulegte, ging es 2015 erstmals wieder abwärts. Unter dem Strich büßte der Index 2,2 Prozent ein.
Der schwache letzte Handelstag des Jahres drückte auch den S&P-500 auf Jahressicht noch ins Minus. Er büßte insgesamt 0,7 Prozent ein. Unter den drei großen US-Indizes schaffte nur der Nasdaq-Composite ein Plus von 5,7 Prozent und baute damit seine Gewinnstrecke auf vier Jahre aus. Das ist die längste seit 2007.
Am letzten Börsentag des Jahres verhagelten anders als an den Vortagen nicht fallende Ölpreise die Stimmung, sondern schwache Konjunkturdaten. So stieg die Zahl der wöchentlichen Anträge auf Arbeitslosenhilfe mit 20.000 so stark wie zuletzt im Februar 2015 und der Index der Einkaufsmanager im Großraum Chicago rutschte von 48,7 auf 42,9 im Dezember ab - den niedrigsten Stand seit Sommer 2009. Gerade im Umfeld wieder steigender US-Zinsen sorgten die Daten dafür, dass Anleger Aktien verkauften.
Der Dow-Jones-Index verlor 1 Prozent auf 17.425 Punkte, der S&P-500 gab um 0,9 Prozent nach auf knapp 2.044 Punkte und der Nasdaq-Composite um 1,2 Prozent auf 5.007. Umgesetzt wurden 753 (Mittwoch: 563) Millionen Aktien. Dabei standen an der NYSE 1.199 (933) Kursgewinnern 1.936 (2.228) -verlierer gegenüber, 101 (61) Titel schlossen unverändert.
Verstärkt worden sei der Abwärtsdruck durch das am letzten Handelstag des Jahres stark ausgedünnte Geschäft, hieß es. Angesichts der dünnen Umsätze sei es von vornherein zu erwarten gewesen, dass die Richtung des Tages schon zur Mittagszeit feststehen dürfte, sagte Randy Frederick, Marktexperte beim Schwab Center for Financia Research.
Zu den Tagesgewinnern gehörten Aktien aus dem Energiesektor. Sie profitierten von einer Erholung der Ölpreise. So verteuerte sich das Barrel der US-Sorte WTI nach einem insgesamt desaströsen Börsenjahr am letzten Handelstag um 1,2 Prozent auf 37,04 Dollar, Brent-Öl legte sogar um 2,2 Prozent zu. Händler führten die positive Tagesentwicklung auf Spekulationen zurück, dass der Iran womöglich Probleme haben werde, nach Aufhebung der Sanktionen seine auf den Weltmarkt drängenden Ölexporte im neuen Jahr zu erhöhen. Einer der großen Tagesverlierer war sinnbildlich für das gesamte Börsenjahr die Apple-Aktie. Sie verlor 1,9 Prozent.
Dominiert wurde das zurückliegende Börsenjahr an der Wall Street zum einen von der Diskussion um den Zeitpunkt der Einleitung der Zinswende und zum anderen vom Einbruch der Ölpreise. Beide Themen sorgten immer wieder für mitunter kräftige Impulse nach oben oder nach unten, je nach Stand der Diskussion zur Zinswende bzw. des aktuellen Preistrends beim Öl.
Sehr stark fiel die Reaktion im September aus, als die US-Notenbanker entgegen der Mehrheitsmeinung an den Finanzmärkten, die Zinsen (noch) nicht anhoben. Was die Akteure besonders verstimmte war die Erklärung: Untypischerweise führte die Fed dafür nämlich außerhalb der USA liegende Gründe an, konkret das wachstumsschwache China. Innerhalb weniger Tage verlor der Dow-Jones-Index daraufhin rund 4 Prozent und fiel bis nahe an sein Jahrestief zurück.
Selbiges hatte er erst wenige Wochen zuvor Mitte August markiert. Die völlig überraschende Abwertung der chinesischen Landeswährung Yuan hatte weltweit für teils panikartige Verkäufe von Risikopapieren gesorgt, allen voran Aktien, und auch die US-Börsen heimgesucht. Dass China Probleme hat, die seit Jahren gewohnten Wachstumsraten von über 7 Prozent fortzuschreiben war zwar bekannt, doch die Senkung des Yuan-Referenzkurses schürte Spekulationen, dass es um die chinesische Wirtschaft noch deutlich schlechter bestellt sein könnte.
Was folgte war eine rasante Talfahrt, die Dow & Co im Anschluss an die Abwertung innerhalb weniger Tage um rund 10 Prozent in den Keller schickte. Der Dow fiel auf das Jahrestief von 15.370 Punkten zurück.
Ab Ende September erholten sich die Aktienkurse in den USA dann allmählich wieder. Kursstützend wirkte ab da die sich verfestigende Erwartung einer Zinsanhebung im Dezember, der ersten seit fast zehn Jahren, durch die US-Notenbank. Die Überlegung dahinter war, dass die Zinsanhebung ein Zeichen der Zuversicht in die Stärke der US-Konjunktur sei.
Am Anleihemarkt tat sich trotz der am Ende des Jahres eingeleiteten Zinswende unter dem Strich wenig. Mit zuletzt 2,27 Prozent lag die Zehnjahresrendite mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau wie Ende 2014 mit knapp 2,20 Prozent. Dazwischen lag aber ein frühes Renditetief im Februar von 1,64 Prozent und ein Hoch im Juni von fast 2,50 Prozent. Zunächst hatten sich Anfang 2015 angesichts einer eher mauen Konjunkturentwicklung noch die Anzeichen verdichtet, dass die avisierte Zinserhöhung in den USA wohl eher erst später im Jahr zu erwarten sein dürfte. Diese Einschätzung änderte sich in den Folgemonaten vor dem Hintergrund günstiger Daten vor allem vom US-Arbeitsmarkt. Entsprechend reagierten auch die Renditen am Anleihemarkt auf das jeweils gespielte Zinszenario.
Gegenwind von den Ölpreisen erhielt der US-Aktienmarkt vor allem in der zweiten Jahreshälfte. Nach dem Absturz der Preise von Hochs deutlich über 90 Dollar für US-Öl 2014 auf etwa 60 Dollar zum Vorjahresende, war es hier zunächst seitwärts gegangen. Im Juli setzte sich die Talfahrt beim Öl dann aber fort, ausgelöst von Sorgen vor einer schwachen Nachfrage aus China, vor allem aber einem weltweit zu hohen Ölangebot. Zu letzterem trug zum einen die wachsende Schieferölförderung in den USA bei, zum anderen die Opec, die sich nicht auf eine Drosselung der Förderung einigen konnte.
Verstärkt wurde der Negativtrend bei den Ölpreisen von der Aussicht auf zusätzliches Öl aus dem Iran, nachdem sich das Land im Streit um sein Atomprogramm mit dem Westen geeinigt hatte. Letztlich drückte das Ölüberangebot den WTI-Preis im Dezember auf ein Siebenjahrestief von knapp über 35 Dollar.
Für Aktien aus dem Ölsektor wurde das Börsenjahr 2015 damit zu einem Debakel. Im Dow gehörten Exxon und Chevron zu den schlechtesten Titeln mit Verlusten von 15 bzw knapp 20 Prozent.
Schwächster Dow-Wert war 2015 Wal-Mart mit einem Minus von fast 29 Prozent. Der Kurs des Einzelhändlers litt unter der Konkurrenz aus dem Internet, wegen der Wal-Mart seine eigenen E-Commerce-Investitionen erhöhen musste. Hinzu kamen höhere Mindeststundenlöhne und fallende Preise.
Beste Aktie im Dow war Nike. Sie legte um 30 Prozent zu. Für Kursauftrieb sorgten immer wieder gute Quartalsergebnisse sowie die Ankündigung, bis zu 12 Milliarden Dollar für den Rückkauf eigener Aktien einzusetzen. Außerdem will der Adidas-Rivale seinen Aktien im Verhältnis 1:2 splitten. An der Börse sorgen derartige optische Verbilligungen von Aktien oft für zusätzliche Käufe.
Sinnbildlich für das schwache Börsenjahr stand die Kursentwicklung der Apple-Aktie. 2014 noch einer der Highflyer mit einem Jahresplus von rund 40 Prozent ging es 2015 um knapp 5 Prozent abwärts mit dem Kurs auf 105,26 Dollar. Und das sowohl die Aktie den schon länger erwarteten Aufstieg in den die 30 wichtigsten Unternehmen der USA umfassenden Dow-Jones-Industrial-Average (DJIA) endlich schaffte. Das gemessen an der Marktkapitalisierung wertvollste Unternehmen der Welt wurde im März Bestandteil des 119 Jahre alten Index.
Ging es für die Aktie in den ersten Monaten des Jahres noch aufwärts - in der Spitze bis auf gut 134 Dollar -, belastete im weiteren Verlauf die Sorge vor einer abkühlenden Nachfrage nach dem iPhone vor allem in China den Kurs. Zuletzt hatten derlei Spekulationen im Dezember neue Nahrung erhalten von gesenkten Ausblicken einiger Apple-Zulieferer. Im Tief war die Apple-Aktie zum Höhepunkt der Sorgen um das Wachstum in China schon im August auf 92 Dollar gefallen.
Klar den Rang abgelaufen bekamen Apple von Alphabet, den meisten noch besser bekannt als Google. Im August hatte der US-Suchmaschinenbetreiber seine Struktur umgebaut und zu diesem Zweck eine neue Dachgesellschaft mit dem Namen Alphabet gegründet. Wie Nike begeisterte auch Alphabet mit seiner guten Geschäftsentwicklung und einem Aktienrückkauf. Unter dem Strich sorgte das für ein Jahresplus von rund 65 Prozent inklusive neuer Allzeithochs knapp unter 800 Dollar.
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January 01, 2016 04:16 ET (09:16 GMT)
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