KARLSRUHE/STUTTGART (dpa-AFX) - Der Fall der nur vorgetäuschten Sicherheitskontrollen im Atomkraftwerk Philippsburg II (Kreis Karlsruhe) muss nach Auffassung von Politikern und Umweltverbänden Konsequenzen haben. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kündigte am Donnerstag an, jetzt auch das zweite im Südwesten noch betriebene Atomkraftwerk Neckarwestheim II (Kreis Heilbronn) unter die Lupe zu nehmen.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass in Philippsburg ein
Mitarbeiter eine regelmäßige Prüfung an einem Störfallmonitor zwar
dokumentiert, tatsächlich aber nicht durchgeführt hatte. Das
Umweltministerium als Aufsichtsbehörde kündigte eine Anordnung an,
die das Wiederanfahren der Anlage untersagt. Dazu findet eine
gesetzlich vorgeschriebene Anhörung statt. Seit dem 8. April ist das
Atomkraftwerk wegen einer Revision nicht am Netz. Unter anderem
werden Brennstäbe gewechselt und Instandhaltungsarbeiten ausgeführt.
Als geplanten Termin für das Wiederanfahren nannte der Betreiber
EnBW
Die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl forderte die Bundesatomaufsicht auf, sich des Falls anzunehmen. Vor allem müsse analysiert werden, ob es Lücken im Regelwerk gibt, die eine Vortäuschung von Prüfungen ermöglichen, teilte die Bundestagsabgeordnete mit. Für die Zukunft sollte eine konsequentere Anwendung des Vier-Augen-Prinzips und die Einschaltung von Sachverständigen geprüft werden, forderte sie. Auch müsse geklärt werden, ob es in anderen Atomkraftwerken ähnliche Tricks gab.
Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital sprach nach dem Vorfall in Philippsburg von einem schweren Mangel in der Sicherheit. Das Atomkraftwerk sei schon früher wegen ähnlicher Pannen negativ aufgefallen. Jetzt müsse man über eine endgültige Abschaltung früher als geplant nachdenken.
Nach Unterstellers Angaben sind nach dem am 5. April aufgedeckten Fall bei 450 Sicherheitsprüfungen weitere sieben Fälle aufgefallen. Stets sei derselbe Mitarbeiter eines zwei- bis dreiköpfigen Prüfteams verwickelt. Über die Motive gebe es keine Erkenntnisse. "Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter", sagte Untersteller. "Ich bin nicht bereit, sie in Betrieb gehen zu lassen, bevor nicht dargelegt ist, wie sich in Zukunft solche Fälle ausschließen lassen."
Seines Wissens nach ist es das erste Mal, dass eine vorgeschriebene Prüfung in einem deutschen Kernkraftwerk offenbar bewusst vorgetäuscht wurde. "Das ist hochgradig beunruhigend und nicht akzeptabel", teilte der Minister mit. Möglicherweise werde jetzt eine bundesweite Diskussion über Sicherheitskontrollen angestoßen.
Der Betreiber EnBW sei sehr kooperativ, sagte der Minister. Das Unternehmen habe Informationen über die Unregelmäßigkeiten am 5. April einem Mitarbeiter des Umweltministeriums vorgelegt. Die EnBW arbeite bei den Sicherheitsüberprüfungen mit anderen Firmen zusammen - aus seiner Sicht eine "sinnvolle Kooperation"./jug/moe/DP/men
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AXC0169 2016-04-14/14:55