FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Unabhängigkeit der Währungshüter von der Politik betont. "Wir tun, was wir als gute Notenbanker tun müssen", sagte Peter Praet in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der portugiesischen Zeitung "Publico". "Ich denke nicht, dass der EZB-Rat seine Entscheidungsfindung in irgendeiner Weise wegen politischer Debatten ändern wird." In dieser Frage sei sich der Rat einig. In der Vergangenheit haben zahlreiche Politiker, vor allem aus Deutschland, Kritik an der lockeren Geldpolitik der Notenbank geübt.
Praet wies zudem Spekulationen zurück, die EZB habe nach massiven geldpolitischen Lockerungen keinen weiteren Handlungsspielraum mehr. Zu keiner Zeit habe man sich handlungsunfähig gefühlt, sagte der Ökonom. Weitere Zinssenkungen seien weiterhin im Werkzeugkasten der Notenbank verfügbar. Wer Zweifel an der Handlungsfähigkeit der EZB habe, dem sei zu antworten: "Vertraue uns. Wir finden immer Mittel innerhalb unseres Mandats." Die EZB habe in der Vergangenheit gezeigt, dass sie "sehr kreativ" sein könne. Die Geldpolitik allein könne die ökonomischen Probleme in der Eurozone aber nicht lösen. Hierfür seien auch Strukturreformen und fiskalpolitische Maßnahmen nötig.
Mit Blick auf die Wirtschaft der Eurozone sieht Praet eine Nachfrageschwäche. Insgesamt sei derzeit mit einem Sparüberschuss von 4 Prozent zu rechnen, in Deutschland seien es sogar 9 Prozent. "Das ist ein Ungleichgewicht, das schwer aufzulösen ist." Eine schwächelnde Nachfrage in den Krisenländern werde nicht durch eine stärkere Binnennachfrage in den wirtschaftlich stabileren Ländern ausgeglichen. Deutschlands Wirtschaft beispielsweise sei robust durch die Krise gekommen, die Binnennachfrage sei aber dennoch relativ schwach gewesen./tos/jkr/das
AXC0063 2016-05-23/10:18