BERLIN (dpa-AFX) - Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Reform der Ökostrom-Förderung gestalten sich schwierig. Bei einem erneuten Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten zeichnete sich bis zum späten Dienstagabend in Berlin keine Lösung ab. Die Fronten seien verhärtet, inhaltlich gebe es viel Dissens, verlautete aus Verhandlungskreisen. Auch Bayern blockiere bisher eine Einigung.
Im Kern dreht sich der Streit um Umfang und Tempo beim Ausbau des Ökostroms in den nächsten zehn Jahren. Die Ausbauziele für Wind, Sonne und Biomasse sollen so angepasst werden, dass der festgelegte Korridor nicht überschritten wird.
Bis zum Jahr 2025 sollen etwa 40 bis 45 Prozent des Stromverbrauchs aus Ökostrom-Quellen kommen. Derzeit liegt der Anteil bei etwa 33 Prozent. Die Union pocht auf Kürzungen bei der Windenergie.
Hintergrund sind neben den Kosten auch Engpässe bei Stromleitungen. Die Länder wiederum verfolgen höchst unterschiedliche Interessen: Für Bayern ist Solarenergie und Biomasse wichtig, die Nord- und andere Flächenländer setzen mehr auf Windenergie.
Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll ab 2017 die Förderung des Ökostroms umgestellt werden. Dann fallen die auf 20 Jahre festgelegten Garantiepreise für die Stromabnahme für neue Anlagen weg. Stattdessen werden Projekte ausgeschrieben: Wer wenig Subventionen verlangt, erhält dann den Zuschlag.
Vor dem Treffen hatte Merkel den Bau neuer Stromleitungen angemahnt, damit die Energiewende vorankommt: "Energiewende findet nur statt, wenn der Strom, der produziert wird, auch zum Schluss durch eine Leitung dahin transportieren werden kann, wo er gebraucht wird." Es fehlt derzeit an Leitungen, um vor allem Windstrom aus dem Norden in die Industriezentren im Süden Deutschlands zu transportieren.
Merkel verwies auch auf das Kostenargument: Die Erneuerbaren seien "aus der Nische herausgekommen" und müssten nun in ein marktwirtschaftliches Umfeld geführt werden, erklärte sie. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, es gehe beim besten Willen nicht mehr, "und wenn die Windlobby sich noch so auf die Hinterfüße stellt", dass Windparks bezuschusst würden, deren Strom niemand brauche: "Kein einziges Stromatom fließt in das Netz, sondern der Strom verschwindet irgendwo und wird bezahlt."
Die Regierung steht unter Zeitdruck. Merkel hatte eine Lösung bis zur Sommerpause Mitte Juli angekündigt - wenn nicht bald das Reformpaket steht, wackelt auch der mit der EU-Kommission verabredete Startzeitpunkt 1. Januar 2017.
Aktuell müssen Verbraucher und Wirtschaft pro Jahr bis zu 24 Milliarden Euro per Umlagen für den Ausbau der Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse bezahlen.
Nicht nur zwischen Bund und Ländern knirscht es, sondern auch zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Am Montagabend traf sich Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel mit Fachpolitikern der Union. Umstritten blieb dabei vor allem, wie stark die Förderung neuer Windparks an Land gekürzt werden soll.
Gabriel schlägt nun eine Einmalkürzung von fünf Prozent zum 1. April 2017 und weitere, zeitlich gestaffelte Einschnitte vor. Die Union ist ebenfalls für eine 5-Prozent-Kürzung, will aber weitere 10 Prozent einsparen, wenn die Branche mehr als 2500 Megawatt neue Windkraft an Land baut. Die SPD will grundsätzlich einen Zubau von 3000 Megawatt pro Jahr erlauben.
Erhebliche Differenzen gibt es bei Biogas-Anlagen, die vor allem im CSU-regierten Bayern verbreitet sind. Die Union will neue Anlagen mit einer jährlichen Leistung von 300 Megawatt zulassen, die SPD will das auf 100 Megawatt begrenzen.
Die Grünen forderten die Länder auf, hart zu bleiben. "Die Ministerpräsidenten müssen die Energiewende und den Klimaschutz vor der Bundesregierung schützen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur./sl/tb/ted/DP/stk
AXC0007 2016-06-01/05:38