Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Länder sind bei der Reform der Erbschaftsteuer auf Gegenkurs zu Bundesregierung und Bundestag gegangen. Bei einer Sondersitzung in Berlin sprachen sich die Finanzminister der Länder dafür aus, zu dem umstrittenen Gesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Ein entsprechender Antrag aus Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern fand mit zehn Stimmen eine große Mehrheit der 16 Länder, teilte das Bundesland mit. Dagegen stimmten demnach fünf Länder, während sich eines enthielt. Der Bundesrat will am Freitag kommender Woche über die Reform abstimmen. Das Plenum der Länderkammer muss dem Votum der Finanzminister allerdings nicht folgen.
Der Bundestag hat der von der Großen Koalition vereinbarten Reform erst am vergangenen Freitag zugestimmt. Aus den Ländern ist aber bereits Widerstand vor allem von den Grünen, aber auch der SPD geäußert worden, weil die Pläne verfassungswidrig seien, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Schluss mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ausgehandelt hat.
Länder wollen grundlegende Überarbeitung
Rufen die Länder tatsächlich den Vermittlungsausschuss an, dürfte sich die Erbschaftsteuerreform bis in den Herbst oder länger verzögern. Damit würde die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist einer Neuregelung bis zum 30. Juni deutlich überschritten. Die Karlsruher Richter hatten vor anderthalb Jahren die bisherigen Regelungen zu Ausnahmen für Firmenerben in Teilen verworfen.
Der vom Bundestag gebilligte Kompromiss sieht geringere Ausnahmen für Kleinunternehmen vor als das derzeit geltende Recht - aber größere als zunächst geplant. Er behält aber den von der Wirtschaft kritisierten Plan bei, auch das Privatvermögen der Unternehmer bei der Zahlung der Erbschaftsteuer auf Betriebe heranzuziehen. Erben von Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten sollen demnach aber bei Fortführung des Betriebes keine Steuer zahlen müssen.
Mit dem Gesetzentwurf werde aber eine von den Verfassungsrichtern monierte Privilegierung von Unternehmenserben "sogar noch verstärkt", erklärte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Deshalb habe Nordrhein-Westfalen zusammen mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Brandenburg und Bremen erfolgreich die Anrufung eines Vermittlungsausschusses beantragt. "Damit wollen wir eine grundlegende Überarbeitung anstoßen, die am Ende noch eine Zustimmung möglich machen könnte", sagte Walter-Borjans.
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June 30, 2016 09:03 ET (13:03 GMT)
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