
Von Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und seiner Partei droht wegen der umstrittenen Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA großer Ärger. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Naturschützern und Sozial- und Kulturverbänden will die SPD durch Großdemonstrationen Mitte September so unter Druck setzen, dass sich die Genossen auf einem Parteikonvent gegen das Abkommen CETA mit Kanada aussprechen.
Für Gabriel wäre das eine empfindliche Schlappe, weil er zuletzt den ausgehandelten Vertragstext zwischen der Europäischen Union und Kanada mehrfach als gutes Abkommen gelobt hatte. Der SPD-Chef ist als Minister an das Votum der Parteimitglieder gebunden, müsste im Rat der EU-Handelsminister gegen seine eigene Haltung stimmen. In Berlin wird bereits darüber spekuliert, dass Gabriel im Falle einer Niederlage als SPD-Chef und Wirtschaftsminister zurücktreten könnte.
Großdemos in sieben Städten
Das Bündnis, dem unter anderem die Gewerkschaft Verdi, Brot für die Welt und der Paritätische Gesamtverband angehören, will am 17. September gegen CETA Hunderttausende auf die Straße bringen. Geplant sind parallel laufende Demonstrationen in den sieben Großstädten Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart. Nur zwei Tage später kommen die Sozialdemokraten zur Abstimmung über das Abkommen zusammen.
"In der vorliegenden Form ist das Abkommen nicht zustimmungsfähig", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske am Dienstag in Berlin. Mittels der Investorenschutzklauseln seien ausländische Investoren inländischen Unternehmen gegenüber privilegiert, weil sie nicht nur auf dem ordentlichen Gerichtsweg, sondern auch vor internationalen Schiedsgerichten klagen könnten. Hohe soziale Standards müssten Vorrang vor Konzerninteressen haben. Auf die Frage, ob Verdi an der Ablösung Gabriels arbeite, antwortete der Gewerkschaftsboss mit "Nein."
Der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, sieht Altenpflege, Kindererziehung und soziale Arbeit durch das Gewinnstreben ausländischer Konzerne bedroht. "Dort haben Profitinteressen nichts zu suchen", betonte Schneider. Er befürchtet zum Beispiel Klagen kanadischer Unternehmen gegen Deutschland vor den Schiedsgerichten, wenn der Staat höhere Anforderungen an Pflege und Erziehung macht und damit die Renditen der Firmen leiden würden. "Es besteht keine Klarheit darüber, dass soziale Standards eben nicht gesenkt werden", meinte Schneider.
Abkommen liegt zur Ratifizierung bereit
CETA wird seit 2009 zwischen der EU-Kommission und Kanada verhandelt. Mittlerweile befinden sich die Gespräche im Endstadium, die Zustimmung in den EU-Mitgliedstaaten steht bevor. Der Vertrag soll Zollschranken schleifen. Industrie- und Umweltstandards sollen gegenseitig anerkannt und harmonisiert werden. Europäische Unternehmen sollen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Kanada erhalten und kanadische Firmen umgekehrt in der EU. Die Gegner des Abkommens befürchten, dass CETA nur die Vorstufe des als noch schlimmer betrachteten Abkommens TTIP mit den USA wäre.
Aus der Wirtschaft kam unmittelbar nach dem Aufruf zu den Großkundgebungen Kritik an den Organisatoren. "Es muss endlich damit Schluss sein, Gefahren zu erfinden, um den Bürgern in diesem Land Angst vor dem Freihandel zu machen", schimpfte der Präsident des Außen- und Großhandelsverbandes BGA, Anton F. Börner. Den Gegnern gehe es nur darum, die Öffentlichkeit aufzubringen. "Durch Freihandelsabkommen wurde bisher noch nie ein einziger Standard, der in der Europäischen Union gilt, gesenkt", sagte Börner.
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August 23, 2016 07:32 ET (11:32 GMT)
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