
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft wird nächstes Jahr nach der Einschätzung des Konjunkturforschungsinstituts IWH angesichts eingetrübter internationaler Aussichten deutlich weniger wachsen als erwartet. Die Hallenser Ökonomen senkten ihre Wachstumsprognose für 2017 auf 1,2 Prozent, nachdem sie im Juni noch 1,6 Prozent veranschlagt hatten. Im Jahr 2018 sollen es dann aber wieder 1,5 Prozent Wachstum sein.
"Maßgeblich für die Verlangsamung der gesamtwirtschaftlichen Produktion sind vor allem schwächere Exporte und stärkere Importe", erklärte IWH-Vizepräsident Oliver Holte-Möller. Auch kämen Arbeitstageeffekte zum Tragen. Die Exporte sollen nach der Prognose dieses Jahr nur noch um 2,7 Prozent nach 5,2 Prozent im Vorjahr zulegen, und kommendes Jahr soll sich der Zuwachs noch auf 2,1 Prozent abschwächen. 2018 wird dann ein Plus von 4,3 Prozent veranschlagt.
Derzeit sind die Konjunkturaussichten für Deutschland nach Einschätzung des Instituts aber noch "weiter recht günstig". Das deutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr 2016 insgesamt um 1,9 Prozent zulegen, so das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Das ist eine leichte Verbesserung gegenüber den im Juni für dieses Jahr erwarteten 1,8 Prozent Wachstum. "Stimmungsindikatoren deuten zwar auf ein etwas schwächeres Jahresende hin, die Binnenkonjunktur ist aber weiter aufwärtsgerichtet", erklärte das Institut.
Binnenkonjunktur verliert etwas Schwung
Die deutsche Produktion habe im ersten Halbjahr zwar recht kräftig zugelegt, vor allem, weil die Exportwirtschaft von zunehmender Nachfrage aus Asien und Osteuropa profitiert habe. Die Binnenkonjunktur habe allerdings jüngst etwas an Schwung verloren. Im weiteren Jahresverlauf bleibe die gesamtwirtschaftliche Produktion zunächst bei ihrem zuletzt moderaten Tempo, im Schlussquartal 2016 dürfte sie allerdings leicht nachgeben.
Zum einen komme "mit Großbritannien infolge des Entscheids der britischen Wähler für den Brexit ein wichtiger Absatzmarkt der deutschen Industrie in den Abschwung". Zum anderen dürfte sich der Ölpreis im Sommer 2016 für die nächste Zeit stabilisiert haben. Daher liefen die kräftigen Realeinkommensgewinne deutscher Haushalte aufgrund gesunkener Energiepreise im zweiten Halbjahr aus. Das IWH rechnet mit einer Zunahme der privaten Konsumausgaben um 1,8 Prozent in diesem und je 1,4 Prozent in den beiden nächsten Jahren.
Die Arbeitslosigkeit dürfte im Zuge der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt etwas steigen, während die Verbraucherpreisinflation weiterhin moderat bleibe und 2017 bei 1,2 Prozent liege. Die öffentlichen Haushalte werden laut IWH Überschüsse erwirtschaften - dieses Jahr von 0,5 Prozent und nächstes von 0,4 Prozent.
Der Entscheid der Briten für einen EU-Austritt habe die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten eingetrübt - vor allem für Großbritannien selbst, in geringerem Ausmaß aber auch für den Rest der Europäischen Union. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Großbritannien dürfte in den nächsten Quartalen leicht zurückgehen, und von einer nachlassenden britischen Güternachfrage werde auch die Erholung im Euroraum ein Stück weit gedämpft, schrieben die Ökonomen aus Halle.
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September 01, 2016 05:54 ET (09:54 GMT)
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