
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Überschussliquidität innerhalb des Geldsystems der Eurozone hat am 1. September 2016 erstmals die Marke von 1 Billion Euro überschritten. Wie aus aktuellen Daten der EZB hervorgeht, hielten die Banken bei der EZB Einlagen von 1.023 Milliarden Euro, die über ihre Reservepflichten hinausgingen.
Die Überschussliquidität, die die Banken bei der EZB halten, hat sich damit seit Ankündigung des Staatsanleihekaufprogramms am 22. Januar 2015 um mehr als 600 Prozent erhöht. Diese Messgröße zeigt, wie stark der geldpolitische Orkan ist, den die EZB mit ihren unkonventionellen Maßnahmen entfacht hat.
Die nach wie vor schwachen Zahlen zu Kreditvergabe und zu Inflation zeigen jedoch, dass von diesem Orkan in der Realwirtschaft bisher nur ein Lüftchen ankommt. Immerhin: Einen Sturm spüren die Banken des Euroraums. Ihre Zinsen sind als Folge milliardenschwerer Anleihekäufe und teilweise negativer Leitzinsen dramatisch gesunken
So notiert der Eonia-Satz derzeit bei minus 0,329 Prozent, nachdem er bei Ankündigung des Ankaufprogramms bei minus 0,036 Prozent gelegen hatte. Der Dreimonats-Euribor (besicherter Geldmarkt) sank in diesem Zeitraum von 0,06 Prozent auf minus 0,299 Prozent.
Je länger die Laufzeit, desto später erfolgte der Rutsch in den negativen Bereich. Der Euribor mit einer Laufzeit von zwölf Monaten rutschte im Februar dieses Jahres ins Minus und liegt aktuell bei minus 0,052 Prozent.
Allerdings ist der Handel der Banken untereinander so gut wie zum Erliegen gekommen, so dass die Geldmarktsätze auf relativ niedrigen Umsätzen beruhen.
Auch ein weiteres Zwischenziel hat die EZB erreicht: Die Kreditzinsen der Banken sind beträchtlich gesunken. So verringerte sich Zins für Unternehmenskredite mit Laufzeiten von mehr als fünf Jahren seit Januar 2015 um 15 Prozent und der Zins für Kredite mit einer Laufzeit von maximal einem Jahr um 21 Prozent. Das ist für die Realwirtschaft immerhin eine "steife Brise von hinten".
Beeinträchtigt wird die Freude darüber aber von der Tatsache, dass diese niedrigen Zinsen keine höhere Kreditvergabe nach sich ziehen - aus verschiedenen Gründen. So stieg das Volumen der insgesamt ausstehenden Buchkredite an nicht-finanzielle Unternehmen seit Januar 2015 um gerademal 0,5 Prozent.
Und die Geldmenge M3, deren bilanzieller Gegenposten unter anderen die Kredite sind, legte zwar um knapp 7 Prozent zu, doch ist von dem mittelfristig unterstellten Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation bisher nichts zu merken.
Der Verbraucherpreisindex (HVPI) lag im August 2016 um nur 1 Prozent über dem Niveau von Januar 2015. Einer der wichtigsten Gründe dürfte der Ölpreis sein, der derzeit um ein gutes Viertel niedriger als im Januar 2015 notiert. Die EZB strebt aber mittelfristig eine jährliche Inflationsrate knapp 2 Prozent an.
Unterdessen mehren sich die Klagen der Banken über die negativen Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik. Der Vorstandschef der Deutschen Bank, John Cryan, sagte, inzwischen richte diese Politik mehr Schaden an als Nutzen zu stiften. Und der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte, dass eine weitere Senkung des Einlagenzinses wohl überlegt werden sollte.
Die EZB bleibt bisher jedoch bei ihrer Aussage, dass die Banken von ihrer Geldpolitik bisher per saldo profitierten. Allerdings räumte sie ein, dass sich die Belastungen unterschiedlich verteilten und besonders Länder mit hohen Bankeinlagen träfen. Dazu zählen vor allem Deutschland und die Niederlande.
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September 02, 2016 05:52 ET (09:52 GMT)
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