Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Erleichterungsrally an den Börsen nach dem glimpflich verlaufenden Brexit-Votum ist ausgelaufen. Nun formieren sich wieder dunklere Wolken über den Märkten. Die Wirtschaftsdaten haben sich zuletzt abgeschwächt, während die politischen Risiken mit den US-Präsidentschaftswahlen und dem Senats-Referendum in Italien wieder in den Vordergrund rücken. Auch charttechnisch ist der DAX angeschlagen.
Die US-Notenbank dürfte in der kommenden Woche weiter still halten. Nach schwächeren Einzelhandelsumsätzen sowie schwachen Daten zur Industrieproduktion gehen Marktteilnehmer nicht mehr davon aus, dass die Fed am Mittwoch die Leitzinsen erhöhen wird. Dies ist zwar kurzfristig stützend für Aktien, diese Erleichterung dürfte aber schnell wieder der Unsicherheit weichen, wann denn nun der nächste Zinsschritt erfolgen wird. An den Märkten wird eine Erhöhung bis Jahresende aktuell mit rund 50 Prozent eingepreist.
Zentralbanken agieren am Limit
Zwar werden die japanische Notenbank, die ebenfalls am Mittwoch ihre geldpolitische Entscheidung bekannt geben wird, sowie die Europäische Zentralbank (EZB) weiter extrem expansiv agieren. Allerdings glauben immer mehr Anleger, dass die Notenbanken bereits aktuell schon am Limit des Möglichen angelangt sind. Und das mit mäßigem Erfolg. Denn weder haben sie es geschafft, die Inflationsraten merklich in die Höhe zu treiben, noch das Wirtschaftswachstum auf Vorkrisenniveau anzukurbeln.
Die Wirtschaft scheint derweil dabei zu sein, sich schon wieder abzukühlen. Wie Lampe anmerkt, läuft das Aufwärtsmomentum bei den Frühindikatoren gerade aus. Für die Börsen ist das wichtig, da seit Februar Aktienentwicklung und Frühindikatoren stark korrelieren. Die am kommenden Freitag anstehenden europäischen Einkaufsmanagerindizes dürften diesen Eindruck unterstreichen. Im Konsens wird für September im verarbeitenden Gewerbe mit einer Abschwächung auf 51,5 von 51,7 gerechnet.
Das spricht nicht für eine nachhaltige Erholung der Unternehmensgewinne im dritten Quartal. Laut Factset rechnen Analysten im laufenden Jahr mit einem Anstieg der DAX-Gewinne um 5 Prozent - nach Einschätzung von Lampe eine viel zu optimistische Annahme. Echte Probleme sehen sie aber erst bei den Gewinn-Erwartungen für 2017. Diese implizierten einen Anstieg des weltweiten Wirtschaftswachstum von deutlich mehr als 3 Prozent, wovon Lampe nicht ausgeht.
Politische Risiken auf beiden Seiten des Atlantiks hoch
Es steigen aber nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Risiken an den Märkten. Am 8. November wählen die Amerikaner einen neuen Präsidenten. Noch liegt Hillary Clinton in den Umfragen vorn, doch der Vorsprung vor Donald Trump schmilzt dahin. Sollte Trump Clinton in den Umfragen überholen, wird das an den Börsen nicht spurlos vorübergehen. Die Möglichkeit eines populistischen Präsidenten, der sich für Strafzölle und die Einschränkung des Welthandels stark macht, dürfte die Börsianer beunruhigen.
Noch größer sind die Risiken in Europa. Nach dem zumindest bislang ohne weitreichende Folgen gebliebenen Brexit-Votum rückt nun das Referendum Ende November oder Anfang Dezember zur Restrukturierung des italienischen Senats in den Vordergrund. Sollte Premier Matteo Renzi mit seinem Vorhaben scheitern, sind Neuwahlen in Italien nicht auszuschließen. Die Chancen stünden nicht schlecht, dass dann die Europa- und Euro-kritische Fünf-Sterne-Bewegung zur stärksten Fraktion im Parlament wird, was Turbulenzen an den Märkten auslösen könnte.
Zur Vorsicht mahnt auch die charttechnische Lage im DAX. Sollte sich der Fall unter die charttechnische Unterstützungszone um 10.475/10.440 Punkte bestätigen, hätte der Index ein Doppeltop abgeschlossen. Im Anschluss ergäbe sich Korrekturbedarf bis in den Bereich von 10.000 Punkten. Am Freitagnachmittag notiert der DAX bei rund 10.300. Auslöser für die Abwärtsbewegung könnten die US-Börsen werden. Diese stehen nämlich gerade charttechnisch auf der Kante.
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September 16, 2016 07:53 ET (11:53 GMT)
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