MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die frühere Führung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) hat nach Einschätzung eines Gutachters teils deutliche Versäumnisse beim Liquiditätsrisikomanagement der Bank begangen. Für den Beinahe-Zusammenbruch der HRE im Jahr 2008 könnten die Ex-Vorstände aber nicht verantwortlich gemacht werden, befand der von der Hauptversammlung des Unternehmens bereits im Jahr 2009 beauftragte Sonderprüfer Wolfgang Russ, wie die HRE am Dienstag in München mitteilte. Dieser sei vielmehr eine unmittelbare Folge der Pleite der US-Bank Lehman gewesen.
Mit der Sonderprüfung sollte die Verantwortung des früheren
Vorstands um Ex-Vorstandschef Georg Funke für die existenzbedrohende
Krise der HRE untersucht werden. Diese musste einst mit
Steuer-Milliarden notverstaatlicht werden. Auf dem Höhepunkt der
Finanzkrise hatte ihre damalige Tochter Depfa die Bank in den
Abgrund gezogen, weil sie langfristige Kredite nicht mehr
kurzfristig refinanzieren konnte. Die Altlasten der HRE wurden
später in eine sogenannte Bad Bank ausgelagert. Die gesunde Kernbank
agiert heute unter dem Namen Deutsche Pfandbriefbank
Russ komme in seinem Gutachten unter anderem zu dem Schluss, dass die damals vom Vorstand getroffenen Maßnahmen zur Liquiditätssteuerung in der Gruppe nicht angemessen gewesen seien und es vor allem im Liquiditätsrisikomanagement deutliche Defizite gegeben habe, hieß es. "Dies gilt insbesondere ab dem Frühjahr 2008, als die Märkte zeitweise hochnervös waren und die Liquiditätssituation allgemein angespannt war." Der Kauf der Depfa Bank hingegen sei nach Einschätzung des Prüfers insgesamt nicht zu beanstanden gewesen, auch wenn es einzelne Mängel gegeben habe. Zudem befand der Prüfer, dass trotz der festgestellten Defizite der Beinahe-Zusammenbruch der HRE "auch bei einer Anpassung der Refinanzierung" nicht zu verhindern gewesen wäre.
Derzeit prüft das Landgericht München I, ob es eine bereits 2014 erhobene Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft gegen Ex-HRE-Chef Funke und sieben weitere Ex-Vorstände zulässt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, sie hätten in offiziellen Firmenberichten die Lage der Bank geschönt. Funke selbst hatte stets jede Verantwortung für das Drama um den Immobilienfinanzierer von sich gewiesen. Sein Anwalt Wolfgang Kreuzer bekräftigte am Dienstag, für einen möglichen Strafprozess wäre aus seiner Sicht ein neutrales Gutachten erforderlich. Darum handele es sich bei dem jetzt vorgelegten Gutachten aber nicht. "Es ist ein Parteigutachten, kein neutrales Gutachten."
Darüber hinaus hatten Funke und zwei weitere Ex-Vorstände unter anderem gegen ihre Kündigung geklagt. Bei der HRE hieß es, man werde nun sorgfältig prüfen, ob sich aus dem Gutachten von Russ Anhaltspunkte für mögliche Schadenersatzansprüche gegen frühere Vorstandsmitglieder ergeben. Man fühle sich in der Position bestärkt, dass der Vorstand im Jahr 2008 "mehrere schwere Fehler im Liquiditätsrisikomanagement gemacht hat", sagte ein HRE-Sprecher./csc/DP/he
ISIN DE0008019001
AXC0178 2016-10-18/15:51