FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 7. Dezember 2016. Nachher ist man immer schlauer: So könnte man meinen, das italienische Verfassungsreferendum sei gar nicht das "Event-Risiko" gewesen, zu dem es von den Akteuren an den Finanzmärkten und in den Medien hochstilisiert worden war. Zumindest der vielerorts befürchtete Kurssturz des DAX ist ganz einfach ausgeblieben. Fast sieht es aus, als wäre mit dem heutigen Tag sogar ein wichtigeres Ereignis angestoßen wurde: der Ausbruch des Börsenbarometers aus seiner seit mehr als drei Monate anhaltenden Konsolidierungszone zwischen 10.185 und 10.825 Punkten. Was kaum jemand noch für möglich gehalten hatte, obgleich niemand eine Ahnung hatte, woher der Auslöser für diesen Impuls kommen sollte, ist nun tatsächlich eingetreten.
So scheint es auch fraglich, ob etwa die morgige Sitzung der Europäischen Zentralbank für diese Kursentwicklung maßgeblich gewesen ist: Die Erwartungen an die Zentralbank sind nicht nur eindeutig, sondern dürften kaum enttäuscht werden. Denn die Verlängerung der Anleihekäufe in Höhe von 80 Milliarden Euro pro Monat scheint eine beschlossene Sache zu sein.
Tatsächlich dürfte der jüngste Aufwärtsimpuls des DAX unter anderem durch die von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren selbst ausgelöst worden sein, denn deren Optimismus ist, gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index, noch einmal - das vierte Mal hintereinander - um 10 Punkte gestiegen und erreicht nunmehr ein Niveau von +47 Punkte. Dies ist zugleich der zweithöchste Indexwert seit Beginn des Jahres, als wir einen noch größeren Optimismus feststellen konnten. Im gleichen Zuge hat sich das Bärenlager, das nur noch ein Fünftel der Befragten auf sich vereinen kann, auf den niedrigsten Stand des Jahres zurückgebildet.
Wir glauben jedoch nicht, dass die veränderte Diskussion um Italiens politische Situation tatsächlich für diesen hohen Optimismus ausschlaggebend ist. Auch wenn sich bei den Akteuren die Meinung durchzusetzen scheint, dass Matteo Renzi baldige Neuwahlen anstrebt. Denn der Premier könnte sich möglicherweise auf die rund 40 Prozent Ja-Stimmen des Verfassungsreferendums und somit einen ordentlichen Vorsprung vor den anderen Parteien stützen. Vielmehr halten wir die Angst einiger Investoren, sie könnten die Jahresschlussrallye verpassen, für ein stärkeres Motiv.
Privatanleger bleiben defensiv
Ganz anders gestaltet sich immer noch die Situation der Privatanleger. Zwar ist in diesem Panel der Optimismus gegenüber der Vorwoche ebenfalls gestiegen, aber der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieser Gruppe hat sich gerade einmal um 5 Punkte auf einen Stand von +34 Punkten, dem Niveau von vor zwei Wochen befestigt. Gleichzeitig hat sich die Kluft zu den institutionellen Pendants noch einmal vergrößert, vermutlich, weil man im Gegensatz zu diesen nicht gezwungen ist, zum Jahresende möglichst eine positive DAX-Performance zu präsentieren.
Der erneut gestiegene Optimismus der institutionellen Investoren legt den Schluss nahe, dass der jüngste Aufwärtsimpuls des DAX aus seiner Konsolidierungszone heraus wahrscheinlich in erster Linie durch heimische Quellen erzeugt wurde. Doch gehen wir gleichzeitig ebenfalls wegen des relativ hohen Standes des Sentiment-Index davon aus, dass zusätzliche Aufwärtsbewegungen durch Gewinnmitnahmen gestört werden, zumal es nach wie vor fraglich ist, ob die jüngste Entwicklung beim DAX durch ausländische Kapitalzuflüsse unterstützt wurde.
Die eigentliche Gefahr droht jedoch im Falle von Korrekturen des Börsenbarometers, sofern es tief zurück in die frühere Konsolidierungszone, also mindestens unter 10.600 Zähler, zurückfällt, weil stützende Nachfrage heimischer institutioneller Investoren dann so gut wie verbraucht sein dürfte. Denn das Investoren-Boot ist bildlich gesprochen fast voll. Insofern schätzen wir das Risiko, dass der jüngste Ausbruch an der Oberseite vorgenannter Konsolidierung in einem Fehlsignal, verbunden mit anschließenden Abwärtsbewegungen endet größer ein als die Chance einer ausgeprägten Jahresschlussrallye.
von: Joachim Goldberg 7. Dezember 2016, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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