Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat mit ungewohnt scharfer Kritik auf die Ankündigung der seit Jahren größten Siedlungserweiterung durch die israelische Regierung reagiert. Die Maßnahme gehe "sowohl in ihrer Größenordnung als auch in ihrer politischen Bedeutung über das hinaus, was wir dazu in den letzten Monaten gesehen haben", erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Mittwoch in Berlin. Insgesamt lasse die Entwicklung Zweifel zu, ob die israelische Regierung weiter zu einer Zwei-Staaten-Lösung stehe, sagte Schäfer.
Die israelische Regierung hatte am Dienstag den Bau von 2.500 Wohnungen im besetzten Westjordanland angekündigt. Zu ihrer Entscheidung wurden die Israelis offenbar durch Signale seitens der neuen US-Administration ermutigt. US-Präsident Donald Trump hatte in der Vergangenheit erklärt, dass er den bisherigen amerikanischen Druck auf Israel beim Wohnungsbau lockern werde.
Trump macht's möglich
Nach Einschätzung der Bundesregierung behindert der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten die Möglichkeit eines Friedensprozesses und gefährdet die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung. Eine im Grundsatz entsprechende Resolution wurde Ende Dezember vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet. Die USA machten bei dieser israelkritischen Entscheidung erstmals seit vielen Jahren nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch, sondern enthielten sich der Stimme.
Bei der israelischen Regierung mit Premier Benjamin Netanjahu an der Spitze löste dieses Verhalten Fassungslosigkeit aus. Trump ließ daraufhin verlauten, er werde bezüglich der Siedlungspolitik eine weichere Linie gegenüber Israel fahren. Der neue US-Präsident untermauerte dieses Ansinnen mit der wiederholten Ankündigung, er wolle die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen und die Stadt als die Hauptstadt Israels anerkennen.
Gefahr für den Friedensprozess
Schäfer sagte, unabhängig von der deutschen Bewertung der Rechtsmäßigkeit des Wohnungsbaus, "lässt uns dies, wie auch die damit verbundene politische Absichtserklärung der israelischen Regierung, den Siedlungsbau weiter auszuweiten, daran zweifeln, ob die israelische Regierung noch zu ihrem ja immer wieder geäußerten Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung steht". Deshalb sei die große Sorge der Bundesregierung "keine diplomatische Phrase - im Gegenteil", betonte der Außenamts-Sprecher.
Die Bundesregierung sei der festen Überzeugung, dass langfristig nur eine Zwei-Staaten-Lösung den jüdischen und den demokratischen Charakter Israels wahren und die legitimen Ansprüche von Israelis und Palästinensern erfüllen kann", bekräftigte Schäfer. Deshalb sei es erforderlich, dass beide Seiten in Verhandlungen einträten und eine verhandelte Lösung für den Nahost-Konflikt fänden. "Sollten sich die Konfliktparteien von einer Zwei-Staaten-Lösung verabschieden, würde das die Grundlagen des gesamten Friedensprozesses in Frage stellen", warnte der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
(Mitarbeit: Rory Jones/Wall Street Journal)
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January 25, 2017 09:28 ET (14:28 GMT)
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