BERLIN (dpa-AFX) - Vor dem Beschluss der Bundesregierung für höhere Erwerbsminderungsrenten hat der Sozialverband VdK die Pläne als unzureichend kritisiert. Für die über 1,7 Millionen bereits heute Betroffenen sei es enttäuschend, dass die Anhebung nur für Neurentner gelten solle, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Der Gesetzentwurf von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) sieht vor, dass man künftig höhere Rentenbezüge als heute bekommt, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten kann. Der Entwurf soll an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Bessergestellt werden sollen aber nur jene Menschen, die ab dem 1. Januar 2018 neu in eine Erwerbsminderungsrente gehen.
Derzeit werden Betroffene bei der Rente so gestellt, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr weiter gearbeitet. Diese sogenannte Zurechnungszeit soll für künftige Erwerbsminderungsrentner stufenweise bis 2024 um drei Jahre auf 65 Jahre verlängert werden, wie es in Regierungskreisen hieß.
Mascher forderte zudem, Einkommensverluste bei Erwerbsminderung stärker wettzumachen. Dazu müssten geltende Abschläge abgeschafft werden.
Zudem will das Kabinett den Entwurf von Nahles für eine vollständige Angleichung der Ost- an die Westrenten bis zum 1. Januar 2025 auf den Weg bringen. Die Angleichung soll 2018 beginnen und in sieben Schritten vollzogen werden. So soll zum 1. Juli 2018 der aktuelle Rentenwert (Ost) von derzeit 94,1 Prozent auf 95,8 Prozent des Westwerts angehoben werden. Im Gegenzug soll die höhere Bewertung der Löhne für die Rentenberechnung im Osten ebenfalls in sieben Schritten abgesenkt werden. Mit dieser Höherwertung werden die im Schnitt niedrigeren Ostlöhne für die Rente ausgeglichen.
Die jährlichen Kosten sollen bei bis zu maximal 3,9 Milliarden Euro im Jahr 2025 liegen. Sie werden nach einem Kompromiss von Nahles mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus Beitrags- und Steuermitteln finanziert. Dazu wird der Bundeszuschuss für die Rente erhöht - um bis zu zwei Milliarden Euro ab 2025.
VdK-Präsidentin Mascher begrüßte, "dass nach über 25 Jahren ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland verwirklicht werden soll". Dies müsse aber komplett aus Steuermitteln finanziert werden.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bedauerte in der "Rheinischen Post" (Mittwoch): "Die begrüßenswerte Verbesserung ostdeutscher Bestandsrenten wird mit einer Schlechterstellung der Zukunftsrenten in den neuen Bundesländern bezahlt." Die Generationengerechtigkeit bedürfe noch einer nachhaltigen Lösung. Nahles räumte in der "Schweriner Volkszeitung" (Mittwoch) ein, dass sich für heute im Berufsleben Stehende Nachteile ergeben. "Aber wenn wir den Übergang nun über einen längeren Zeitraum strecken, haben wir eine gute Balance zwischen Nachteilen und Vorteilen."
Nahles pocht zudem auf die Realisierung der von ihr vorgeschlagenen Solidarrente für Menschen mit niedrigen Einkommen. "Ich habe ein gutes Konzept vorgelegt, das mit einem Aufschlag von zehn Prozent auf die Grundsicherung die jeweils unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den Regionen berücksichtigt", sagte sie den "Ruhr Nachrichten" (Mittwoch). "CDU und CSU lehnen den Vorschlag ab, machbare Alternativvorschläge sind aber auch nie gekommen." Laut der Zeitung wollen die Koalitionsspitzen am 7. März über das Konzept beraten./bw/DP/zb
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