Von Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Die EU-Kommission kritisiert nur geringe Fortschritte Deutschlands im Kampf gegen einen hohen Leistungsbilanzüberschuss. "Deutschland hat bei den länderspezifischen Empfehlungen (zum Abbau des Überschusses) nur geringe Fortschritte gemacht", schreiben die Fachleute der Kommission.
Die Bundesregierung hat zwar die staatlichen Investitionen gesteigert, dennoch bemängelt die Kommission einen fehlenden Aufwärtstrend im Verhältnis von Investitionen zur Wirtschaftsleistung. Die Bemühungen, das Steuersystem effektiver zu machen, seien außerdem über kleine Verbesserungen nicht hinaus gekommen.
Nach Schätzung des Ifo-Instituts wird der Leistungsbilanzüberschuss für 2016 auf 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern. Das wären noch einmal 0,3 Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Ab einem Wert von 6 Prozent schaut die EU-Kommission genauer hin und könnte theoretisch Sanktionen verhängen.
Ein Teil der Ökonomen macht die großen Ungleichgewichte beim Handel für die Krise der Eurozone verantwortlich. Auch die EU-Kommission teilt diese Bedenken. Deutschlands auf den Export ausgerichtetes Wirtschaftsmodell erzeuge "bedeutende wirtschaftliche und auch politische Verzerrungen für die gesamte Eurozone", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel bei der Vorlage des Berichts.
Die deutsche Wirtschaft wiegelte hingegen ab. "Europa profitiert von der deutschen Exportstärke. Internationale Ungleichgewichte lassen sich nicht auf Knopfdruck beseitigen", erklärte der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf.
Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) schloss sich dieser Meinung an. "Die Kritik der EU-Kommission am Rekordüberschuss greift zu kurz. Die hohen Ausfuhren zeigen die starke Nachfrage nach hochwertigen Produkten 'Made in Germany'", meinte DIHK-Chef Eric Schweitzer.
Aus Schweizers Sicht trifft es aber zu, dass Deutschland bei öffentlichen Investitionen in Schulen, Straßen und Schienen nachholen müsse. "Oft mangelt es jetzt aber an Planungskapazitäten und umsetzungsreifen Projekten", bemängelte der DIHK-Chef.
Die Leistungsbilanz setzt sich vor allem aus dem Wert aller Waren und Dienstleistungen zusammen, die ein Land ins Ausland exportiert oder von dort importiert.
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February 22, 2017 07:55 ET (12:55 GMT)
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