Von Herbert Rude
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rückenwind von der Zinsfront dürfte an den Börsen in der kommenden Woche weiter nachlassen. Denn die US-Notenbank dürfte auf dem Weg zur Normalisierung der Geldpolitik die nächste Tür öffnen. Die Aktienmärkte sollte das allerdings erst einmal nicht bremsen, zumindest nicht in Europa. Während die US-Börsen auf anhaltend hohem Niveau erwartet werden oder auch etwas abbröckeln könnten, dürfte Europa mit der neuen relativen Stärke seine Erholung fortsetzen. Dabei wird sich die bereits zu sehende Marktaufspaltung wohl verfestigen.
Trumpf sind wahrscheinlich auch weiterhin konjunkturzyklische und dollarsensible europäische Aktien sowie Finanztitel. Zinsreagible Versorger- und Telekom-Aktien könnten dagegen zurückbleiben.
Zwar wird die US-Notenbank einen Abbau der US-Notenbankbilanz vermutlich so klar und detailliert kommunizieren, dass er die Märkte nicht verschreckt. Im Blick steht aber weiterhin auch die Zinserwartung der Zentralbanker. Der jüngste Anstieg der Inflationsrate in den USA könnte das Futter liefern, damit die Notenbank entgegen immer noch vieler Erwartungen am Markt den Leitzins im Dezember doch erhöht.
Zwar schaut sie stärker auf den PCE-Preisdeflator und wohl auch auf die Entwicklung der Stundenlöhne. Die Commerzbank hat aber ein weiteres Argument für eine Zinserhöhung parat: die bevorstehenden Personalwechsel in der Fed. Zum einen legt Fed-Vize Stanley Fischer demnächst sein Amt nieder. Zum anderen könnte Fed-Präsidentin Janet Yellen selbst ausscheiden, falls sie im Dezember nicht für eine weitere Amtszeit als Fed-Chefin nominiert wird. Eine Zinserhöhung im Dezember würde laut Commerzbank ihrem Nachfolger den Amtsantritt erleichtern, da dieser dann nicht gleich wieder unter Zugzwang geriete.
Entsprechende Hinweise der US-Notenbank am Mittwoch stärkten voraussichtlich den Dollar und damit auch den DAX. Die guten Gewinnerwartungen für europäische Zykliker würden weiter gefestigt. Derzeit liegt das DAX-KGV bei 13,8, die Gewinnschätzungen für 2018 deuten auf 12,8 hin. Damit wäre der DAX billig, vor allem wegen der niedrigen KGV der Automobiltitel. Zinsreagible Titel blieben beim nächsten Aufschwung zwar außen vor, der Euro-Stoxx-50 wird dann aber wohl sein Jahreshoch bei 3.667 Punkten anlaufen und der DAX das Rekordhoch bei knapp 12.952 Punkten.
Auf den Kanzler kommt es kaum an
Relativ gelassen sieht der Markt der Bundestagswahl entgegen. Zum einen gilt ein weiteres Kabinett Merkel als ausgemachte Sache. Das scheint gut zu sein: Seit Beginn von Angela Merkels erster Amtszeit als Bundeskanzlerin hat sich der DAX etwa verdoppelt - trotz der großen Finanzkrise. Allerdings konnte der DAX in 16 Jahren Kohl-Regierung sogar 800 Prozent zulegen.
"Kanzler machen keine Aktienkurse", sagt die Hamburger Privatbank Sutor. Das gilt mit einer Einschränkung: Die Regierung kann durchaus Einfluss auf das Wirtschaftswachstum nehmen. Während hohes Wachstum aber nicht eins zu eins von den Börsen umgesetzt wird, wie die Jahre 1959 bis 1981 zeigen, ist ein schwaches Wachstum oder gar ein Schrumpfen der Wirtschaft durchaus ein Indikator für ähnlich stark fallende Aktienkurse. Am wohlsten fühlen sich die Aktienmärkte anscheinend in Zeiten mäßigen Wachstums bei moderater Inflation.
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September 15, 2017 06:32 ET (10:32 GMT)
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