Frankfurt am Main (ots) - Der Zusammenhang von wachsender Ungleichheit und Kapitalkriminalität stand im Mittelpunkt der diesjährigen Fachtagung der Nichtregierungsorganisation Business Crime Control (BCC) in Frankfurt am Main. Drei kompetente Referenten beleuchteten verschiedene Aspekte der Folgen neoliberaler Deregulierung. Dr. Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte empirische Daten zum Auseinanderdriften sowohl von Einkommen als auch von Vermögen in der Bundesrepublik vor. Wie Cum/Ex-Aktiengeschäfte funktionieren, mit denen der Staat um Milliarden Euros geprellt wurde, erläuterte Dr. Benedict Ugarte Chacón, Referent der Fraktion Die Linke im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum Steuer-Skandal. Der investigative Journalist Mathew D. Rose beschrieb die rückläufige Vielfalt in den veröffentlichten Meinungen und setzte diese in Bezug zur Konzentration in der Medienbranche.
Das verbindende Element zwischen beiden Phänomenen - Ungleichheit und Kapitalkriminalität - verortet Business Crime Control im neoliberalen Mainstream: Anders als im vorherigen Keynesianismus sei dem Marktradikalismus jede Regulierung eine Regulierung zu viel: der Markt verfüge über Selbstheilungskräfte und "werde es schon richten". Damit befördere der Neoliberalismus eine egoistische, ungebremste Glücksritter-Mentalität und lasse das Unrechtsbewusstsein sinken.
Wie stark die Spreizung bei den Einkommen und Vermögen voranschreitet, zeigte Dr. Markus Grabka mit umfangreichem statistischen Material. Das DIW lieferte auch die Datengrundlagen für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Grabka betonte, wie unvollständig die Daten bei Hochvermögenden sind: in der Stichprobe gebe es nur eine Person mit einem Vermögen von 50 Millionen Euro. Aber die privaten Vermögen reichten beispielsweise bei BMW-Hauptaktionärin Susanne Klatten bis zu 15 Milliarden. Über die Top-Vermögen ist wenig bekannt. Die erfassten obersten ein Prozent haben ein durchschnittliches Vermögen von 817.000 Euro. Die unteren fünfzig Prozent der Bevölkerung haben einen Anteil am Gesamtvermögen von 0,4 Prozent. Beim untersten Zentil sind es -1,4 Prozent, was bedeutet, dass sie nur Schulden haben. Die Vermögensverteilung in Deutschland weist eine auch im internationalen Vergleich hohe Spreizung auf.
Mit welchen legalen Mitteln große Vermögen noch größer werden können, erläuterte Grabka am Beispiel einer steuerbegünstigenden Vorschalt-GmbH für Immobilienbesitz. Wie eine illegale Methode funktioniert, stellte Dr. Benedict Ugarte Chacón an der Funktionsweise von Cum/Ex-Geschäften dar. An der Komplexität dieser Art von Aktiengeschäften ließ sich nachempfinden, warum nicht jeder Finanzbeamte in der Lage war, das Dickicht dieser dunklen Geschäfte vollständig zu durchleuchtet. Rund tausend Seiten werde der Bericht des Untersuchungsausschusses umfassen, den danach kaum jemand lesen werde. Seit 2013 ist die Praxis unterbunden, von der sich auch Geschäftemacher wie Carsten Maschmeyer sicheren Profit erhofft hatten: Zwölf Prozent Rendite habe ihm seine Bank versprochen, worauf er mit Freunden gemeinsam 40 Millionen Euro mobilisiert habe. Weil das Tricksen doch nicht so lief wie gewünscht, verklagte er das Bankhaus Sarasin auf Schadenersatz. Auch der Finanzberater-Papst will nicht gewusst haben, dass die hohen Renditen der Cum-Ex-Aktiengeschäfte daher rührten, dass sich die Beteiligten die Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstatten ließen, um die Bereicherung unter sich aufzuteilen.
Mathew D. Rose befasste sich mit der Frage, warum großen finanziellen Schaden erzeugende Wirtschaftsverbrechen selten umfassend in den Medien erscheinen. Der investigative Journalist zog eine Linie von vorzugsweise veröffentlichten Mainstream-Meinungen zur Konzentration in der Druck- und Medienbranche. Die einst größere Zahl von Zeitungen ermöglichte auch eine größere Vielfalt bei Themen und Kommentaren. Doch heute sind es nur sehr wenige Häuser, die Zeitungen und Zeitschriften herausgeben oder Radio- und Fernsehprogramme senden. Rose zog daraus den Schluss, dass es verstärkt alternativer Medien und Informationsplattformen bedürfe.
Aus den Vorträgen und der anschließenden, von Herbert Stelz moderierten Diskussion, der - nicht unwidersprochen - eine Lanze für die öffentlich-rechtlichen Medien brach, ergaben sich Forderungen, welche sich BCC zu eigen machte.
Die wachsende finanzielle Ungleichheit und das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft in Deutschland mache ein konsequentes Umsteuern in der Steuer-, Bildungs- und Sozialpolitik erforderlich.
Enorme Ungerechtigkeiten durch die Besserstellung von leistungslosen Einkommen wie Kapitaleinkünften gegenüber Einkommen aus nicht-selbständiger Arbeit, das Fehlen einer Vermögenssteuer, eine zu niedrige Erbschaftssteuer, ein abgesenkter Spitzensteuersatz, der durch eine eher wirkende Einkommenssteuerprogression finanziert wurde, und Steuerbefreiungen für Beteiligungsverkäufe müssen ebenso beseitigt werden wie Steuerverabredungen mit Konzernen oder Steueroasen in Europa und Übersee.
Zudem fordert BCC, Steuerverwaltung und Justiz personell, organisatorisch und fachlich so auszustatten, dass sie systematischem Steuerbetrug in Zukunft wirksam entgegentreten können.
Die Unabhängigkeit der Berichterstattung in den Medien müsse wieder gegenüber Eigentümerinteressen gestärkt werden, damit sie auch über alle Formen von Wirtschaftskriminalität umfassend aufklären und die Debatte über notwendige Gegenmaßnahmen befördern können. Die Digitalisierung werde alternative, zivilgesellschaftliche Medien-Initiativen antreiben.
OTS: Business Crime Control e.V. newsroom: http://www.presseportal.de/nr/126243 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_126243.rss2
Pressekontakt: Peter Menne / Carsten Mohr +49 163 21 88 210 c.mohr@businesscrimecontrol.org
Das verbindende Element zwischen beiden Phänomenen - Ungleichheit und Kapitalkriminalität - verortet Business Crime Control im neoliberalen Mainstream: Anders als im vorherigen Keynesianismus sei dem Marktradikalismus jede Regulierung eine Regulierung zu viel: der Markt verfüge über Selbstheilungskräfte und "werde es schon richten". Damit befördere der Neoliberalismus eine egoistische, ungebremste Glücksritter-Mentalität und lasse das Unrechtsbewusstsein sinken.
Wie stark die Spreizung bei den Einkommen und Vermögen voranschreitet, zeigte Dr. Markus Grabka mit umfangreichem statistischen Material. Das DIW lieferte auch die Datengrundlagen für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Grabka betonte, wie unvollständig die Daten bei Hochvermögenden sind: in der Stichprobe gebe es nur eine Person mit einem Vermögen von 50 Millionen Euro. Aber die privaten Vermögen reichten beispielsweise bei BMW-Hauptaktionärin Susanne Klatten bis zu 15 Milliarden. Über die Top-Vermögen ist wenig bekannt. Die erfassten obersten ein Prozent haben ein durchschnittliches Vermögen von 817.000 Euro. Die unteren fünfzig Prozent der Bevölkerung haben einen Anteil am Gesamtvermögen von 0,4 Prozent. Beim untersten Zentil sind es -1,4 Prozent, was bedeutet, dass sie nur Schulden haben. Die Vermögensverteilung in Deutschland weist eine auch im internationalen Vergleich hohe Spreizung auf.
Mit welchen legalen Mitteln große Vermögen noch größer werden können, erläuterte Grabka am Beispiel einer steuerbegünstigenden Vorschalt-GmbH für Immobilienbesitz. Wie eine illegale Methode funktioniert, stellte Dr. Benedict Ugarte Chacón an der Funktionsweise von Cum/Ex-Geschäften dar. An der Komplexität dieser Art von Aktiengeschäften ließ sich nachempfinden, warum nicht jeder Finanzbeamte in der Lage war, das Dickicht dieser dunklen Geschäfte vollständig zu durchleuchtet. Rund tausend Seiten werde der Bericht des Untersuchungsausschusses umfassen, den danach kaum jemand lesen werde. Seit 2013 ist die Praxis unterbunden, von der sich auch Geschäftemacher wie Carsten Maschmeyer sicheren Profit erhofft hatten: Zwölf Prozent Rendite habe ihm seine Bank versprochen, worauf er mit Freunden gemeinsam 40 Millionen Euro mobilisiert habe. Weil das Tricksen doch nicht so lief wie gewünscht, verklagte er das Bankhaus Sarasin auf Schadenersatz. Auch der Finanzberater-Papst will nicht gewusst haben, dass die hohen Renditen der Cum-Ex-Aktiengeschäfte daher rührten, dass sich die Beteiligten die Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstatten ließen, um die Bereicherung unter sich aufzuteilen.
Mathew D. Rose befasste sich mit der Frage, warum großen finanziellen Schaden erzeugende Wirtschaftsverbrechen selten umfassend in den Medien erscheinen. Der investigative Journalist zog eine Linie von vorzugsweise veröffentlichten Mainstream-Meinungen zur Konzentration in der Druck- und Medienbranche. Die einst größere Zahl von Zeitungen ermöglichte auch eine größere Vielfalt bei Themen und Kommentaren. Doch heute sind es nur sehr wenige Häuser, die Zeitungen und Zeitschriften herausgeben oder Radio- und Fernsehprogramme senden. Rose zog daraus den Schluss, dass es verstärkt alternativer Medien und Informationsplattformen bedürfe.
Aus den Vorträgen und der anschließenden, von Herbert Stelz moderierten Diskussion, der - nicht unwidersprochen - eine Lanze für die öffentlich-rechtlichen Medien brach, ergaben sich Forderungen, welche sich BCC zu eigen machte.
Die wachsende finanzielle Ungleichheit und das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft in Deutschland mache ein konsequentes Umsteuern in der Steuer-, Bildungs- und Sozialpolitik erforderlich.
Enorme Ungerechtigkeiten durch die Besserstellung von leistungslosen Einkommen wie Kapitaleinkünften gegenüber Einkommen aus nicht-selbständiger Arbeit, das Fehlen einer Vermögenssteuer, eine zu niedrige Erbschaftssteuer, ein abgesenkter Spitzensteuersatz, der durch eine eher wirkende Einkommenssteuerprogression finanziert wurde, und Steuerbefreiungen für Beteiligungsverkäufe müssen ebenso beseitigt werden wie Steuerverabredungen mit Konzernen oder Steueroasen in Europa und Übersee.
Zudem fordert BCC, Steuerverwaltung und Justiz personell, organisatorisch und fachlich so auszustatten, dass sie systematischem Steuerbetrug in Zukunft wirksam entgegentreten können.
Die Unabhängigkeit der Berichterstattung in den Medien müsse wieder gegenüber Eigentümerinteressen gestärkt werden, damit sie auch über alle Formen von Wirtschaftskriminalität umfassend aufklären und die Debatte über notwendige Gegenmaßnahmen befördern können. Die Digitalisierung werde alternative, zivilgesellschaftliche Medien-Initiativen antreiben.
OTS: Business Crime Control e.V. newsroom: http://www.presseportal.de/nr/126243 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_126243.rss2
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