BERLIN (dpa-AFX) - EU-Kommissarin Marianne Thyssen sieht in der Sozialpolitik ein wichtiges Instrument, um das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union zurückzugewinnen. "Die Botschaft ist: Europa hilft, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern." Für die Bürger bedeute das: "Wir sind auf eurer Seite", sagte die belgische Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Digitalisierung und Globalisierung seien die großen Herausforderungen auch für die sozialen Sicherungssysteme. "Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft, sie wollen nicht zu den Verlieren gehören", sagte Thyssen. "Auch die Konsequenzen der Finanzkrise sind noch spürbar, vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit und dem niedrigen Investitionsniveau".
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch ein Papier zur sogenannten Europäischen Säule sozialer Rechte vorgelegt. Darin schlägt sie unter anderem vor, Mütter und Väter in ganz Europa sollten ein Anrecht auf jeweils mindestens vier Monate Elternzeit und ein Recht auf flexible Arbeitsregelungen bekommen.
Thyssen sagte dazu: "Wir schlagen Minimum-Standards vor, die Mitgliedsstaaten können immer mehr tun." Nach EU-Angaben ist der Anteil von Frauen in Beschäftigung um 11,6 Prozent geringer als der von Männern, auf Vollzeitarbeit hochgerechnet sind es sogar 20 Prozent. Frauen kümmern sich demnach immer noch mehr um Kinder und Haushalt.
Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen beträgt europaweit 16,3 Prozent, die Rentenlücke sogar 40 Prozent, sagte Thyssen. Finanzierung von Elternzeit sei auch eine "Investition in die Menschen" und könne sich am Ende lohnen. Notwendig sei aber, dass sich auch Väter in gleichem Umfang daran beteiligen.
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollen insbesondere Männern mehr Möglichkeiten geben, Eltern- und Pflegeverantwortung wahrzunehmen. 31,5 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit, aber nur 8,2 Prozent der Männer.
Wichtig sind nach Thyssens Worten auch Standards bei den Arbeitsverträgen. "Was muss drin stehen? Was ist eine Probezeit? Wie lange darf sie dauern?" Ziel des EU-Vorschlags zur Sozialen Säule seien mehr Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik. "Aber wir wollen die Sozialsysteme nicht harmonisieren", betonte die belgische Kommissarin./tl/DP/zb
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