PARIS (dpa-AFX) - Die Samthandschuhe sind in diesem Wahlkampf-Finale zuhause geblieben. Das Duell der Rechtspopulistin Marine Le Pen mit dem sozialliberalen Jungstar Emmanuel Macron ist hart, schonungslos, aufgeheizt. Vor allem Le Pen geht in die Vollen: Sie wirft Macron einen "sozialen Blitzkrieg" vor, beschimpft ihn als "Globalisierer" und zeichnet das Bild eines kalten Bankers, der sich nicht um das Wohl der kleinen Leute schere.
Sich selbst präsentiert die EU-Feindin als "Kandidatin des Volkes" - und verfolgt damit eine klare Strategie, um ihren deutlichen Umfrage-Rückstand bis zur Stichwahl in einer Woche aufzuholen. Doch nun könnte sie ein altes Thema einholen: Das Verhältnis von Front-National-Politikern zu den Verbrechen der Nationalsozialisten.
Le Pen scheint den 39-jährigen Senkrechtstarter Macron zunächst überrumpelt zu haben. "Man sieht doch, dass ein Polit-Neuling auf ein mit allen Wassern gewaschenes Schlachtross der Politik trifft", sagt Jens Althoff, Leiter des Pariser Büros der Heinrich-Böll-Stiftung. Gleich nach dem ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag war Le Pen in die Offensive gegangen, während Macron bei manchen den Eindruck erweckte, seines Siegs schon allzu sicher zu sein.
So landete Le Pen einen echten PR-Coup, als Macron Mitte der Woche mit Gewerkschaftern über eine von der Schließung bedrohte Fabrik im nordfranzösischen Amiens sprach. Während ihr Konkurrent in den Räumen der Handelskammer saß, tauchte sie plötzlich bei streikenden Mitarbeitern am Werk selbst auf. Macron sah sich gezwungen, es ihr nachzutun, und wurde vor der Fabrik mit Pfiffen begrüßt. Zumindest hielt der Ex-Wirtschaftsminister in der Diskussion mit den Mitarbeitern durch und überstand die industriepolitische Feuerprobe.
Seitdem hat auch der Hoffnungsträger der Pro-Europäer auf Attacke geschaltet und will Le Pen "keinen Zentimeter" lassen. Er ging sie etwa wegen einer Affäre um Assistentenjobs im Europaparlament scharf an. Am Freitag setzte er kurzfristig einen Besuch in Oradour-sur-Glane auf sein Programm, wo SS-Soldaten im Zweiten Weltkrieg ein Massaker anrichteten und 642 Bewohner umbrachten. Ein klares Zeichen vor dem Hintergrund, dass Le Pens Vater und Vorgänger an der Parteispitze, Jean-Marie Le Pen, mehrfach wegen Leugnung von Nazi-Verbrechen verurteilt worden war.
Zudem hat die FN jetzt eine neue Geschichtsdebatte am Hals: Der FN-Politiker Jean-François Jalkh soll vor Jahren Zweifel daran geäußert haben, dass die Nazis in ihren Konzentrationslagern das Gas Zyklon B zum Massenmord nutzten. Er selbst bestreitet die Aussage. Trotzdem verzichtete Jalkh am Freitag eilig auf den Übergangsvorsitz der Front National - Le Pen hatte ihr Amt an der Parteispitze ruhen lassen, um breitere Wählerschichten anzusprechen. Le Pen bemüht sich seit Jahren, der FN ein gemäßigteres Image zu verschaffen.
Entscheidend für den zweiten Wahlgang sind die Anhänger des Konservativen François Fillon und des Kandidaten der radikalen Linken, Jean-Luc Mélenchon. Beide hatten im ersten Wahlgang an die 20 Prozent bekommen. Le Pen wirbt ganz gezielt um linke Wähler, die Vorbehalte gegen Macrons wirtschaftsfreundliche Positionen haben. Am Freitag wandte Le Pen sich mit einer Videobotschaft sogar explizit an die Anhänger von Mélenchons Bewegung "Das aufsässige Frankreich".
Auffällig ist, dass die gemäßigten Kräfte der französischen Politik sich zwar gegen Le Pen stellen. Die Mobilisierung bleibt aber hinter 2002 zurück, als Le Pens Vater es völlig überraschend in die Stichwahl geschafft hatte. Er sei sehr überrascht von der zögerlichen Reaktion auf die Qualifizierung Marine Le Pens für den zweiten Wahlgang, sagt Martial Foucault, Chef des Meinungsforschungsinstituts Cevipof. "Es gibt beinahe das Gefühl, dass das unvermeidlich war."
Die große Frage ist, ob das oder der große Vorsprung Macrons in den Umfragen zu einer niedrigen Wahlbeteiligung führen könnte, die Le Pen nützen könnte. In einem sind sich beide Kandidaten einig: Mit Macron und Le Pen stehen sich zwei völlig konträre Weltbilder und Linien gegenüber. Vor allem das TV-Duell am kommenden Mittwoch dürfte deshalb hitzig werden. Der Böll-Stiftung-Experte Althoff meint: "Aus meiner Sicht kann Marine Le Pen nicht gewinnen, aber Macron kann noch verlieren."/sku/DP/tos
AXC0288 2017-04-28/16:18